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Dead End: Thriller (German Edition)

Dead End: Thriller (German Edition)

Titel: Dead End: Thriller (German Edition)
Autoren: Sharon Bolton
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Flussufer hinunterreichte. Eine gewaltige Zeder wuchs gleich hinter dem Haus, und die unteren Äste hatten die Angewohnheit, bei starkem Wind an den Fenstern im Erdgeschoss zu kratzen.
    Evi nahm ihre Schmerztabletten, wartete ein paar Minuten darauf, dass sie zu wirken begannen, und aß dann so viel, wie sie schaffte. Sie räumte das Geschirr weg, rollte ins Schlafzimmer und hielt nur kurz inne, um den Tannenzapfen von der Fußmatte aufzuheben. Ohne auch nur zu schaudern, schob sie ihn wieder durch den Briefschlitz. Die aus der Küche lagen draußen in der Mülltonne.
    Sie drehte die Wasserhähne im Bad auf und fing an, sich auszuziehen. Auf ihrem Nachttisch lag ein geöffneter Brief. Er war vor ein paar Tagen gekommen, in einem dicken gepolsterten Umschlag. Sie hatte den Umschlag über dem Bett ausgeschüttelt und zugesehen, wie Muscheln, Kieselsteine, getrockneter Seetang und schließlich ein Schnappschuss von einer Familie herausgefallen waren. Das Foto lag mit der Bildseite nach oben auf dem Tisch. Mum, Dad, kleine Kinder. Letztes Jahr waren sie Patienten von ihr gewesen und dann zu Freunden geworden. Gerade hatten sie einen halb verfallenen Bungalow an der Küstenstraße von Lytham St. Annes in Lancashire gekauft, und im Frühjahr, hatte die Mutter geschrieben, hatten sie vor, ihn abzureißen und sich ihr neues Traumhaus zu bauen. Es würde ihr zweiter Versuch sein; der erste hatte nicht besonders gut geklappt. Evi könne sie gern jederzeit besuchen, beteuerte der Brief. Harry war nicht erwähnt worden.
    Obwohl sie genau wusste, dass sie das nicht tun sollte, zog Evi die Nachttischschublade auf und zog einen Zeitungsartikel hervor, den sie in einem Internetarchiv gefunden hatte. Sie machte sich nicht die Mühe, den Text zu lesen, den kannte sie auswendig. Sie musste bloß sein Gesicht sehen.
    Bestimmt lief die Wanne allmählich voll. Nur noch eine Sekunde das Haar betrachten, dessen Farbe irgendwo zwischen Rötlichblond und Honigbraun lag, die hellbraunen Augen, den kantigen Unterkiefer und die Lippen, die sich anscheinend immer zu einem Lächeln verzogen, selbst wenn er versuchte, ernst auszusehen, wie auf dem Bild. Nur noch eine Sekunde, um sich zu fragen, wann die guten Tage – die, an denen sie ihn wie alte Erinnerungen in ihren Gedanken ganz nach hinten drängen konnte – zahlreicher sein würden als die schlechten. An denen war er so präsent, dass sie fast den Zitronen- und Ingwergeruch seiner Haut riechen konnte. Nur noch eine Sekunde, um sich zu fragen, wann der Schmerz wohl vergehen würde.
    Als das Wasser allmählich kalt wurde, war Evi fast eingeschlafen. Sie drückte auf den Knopf des Wannenlifts, der sie aus dem Bad heben würde. Es gelang ihr, lange genug ohne Hilfe zu stehen, um sich abzutrocknen und einzucremen. Du hast so weiche Haut, hatte er ihr einmal zugeflüstert. Als sie das Badezimmer verließ, hatte sie Tränen in den Augen und versuchte gar nicht erst, sich einzureden, es seien nur die Schmerzen, die in letzter Zeit abends so viel schlimmer waren, die sie zum Weinen brachten.
    Sie hatte die Botschaft auf dem Badezimmerspiegel nicht gesehen, die erst durch den Dampf des heißen Badewassers sichtbar geworden war.
    Ich kann dich sehen, stand da.

9
    »Inwiefern finster?«, fragte ich.
    »Dr. Oliver glaubt, dass es da – und ich lese das jetzt wörtlich ab – eine subversive, den Suizid verherrlichende Subkultur gibt«, antwortete Joesbury. »Sie glaubt, diese jungen Leute stacheln sich gegenseitig auf, unterstützt von einem Online-Netzwerk.«
    »Das haben die Leute über Bridgend auch gesagt«, gab ich zu bedenken.
    »Ist immer sehr schwer nachzuweisen«, erwiderte Joesbury. »Aber es gibt dokumentierte Fälle von Suizidpakten, wo Menschen sich begegnen, normalerweise online, und beschließen, gemeinsam Schluss zu machen. Sie geben sich gegenseitig den Mut, das durchzuziehen.«
    Ich nickte. Von solchen Fällen hatte ich von Zeit zu Zeit gelesen.
    »Noch beunruhigender«, fuhr Joesbury fort, »ist ein Trend, dass Typen, die ich nur als Widerlinge bezeichnen kann, sich gezielt auf Internetseiten und in Chatrooms rumtreiben, um depressive und gefährdete Personen ausfindig zu machen. Sie schließen Freundschaften, tun so, als wäre ihnen das alles wichtig, drängen die Betreffenden aber die ganze Zeit dazu, sich umzubringen. Und es gibt Internetseiten, wo Leute mit Selbstmordneigungen sich mit Gleichgesinnten austauschen. Darüber diskutieren, welche Methoden am effektivsten sind, ein
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