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Dead End: Thriller (German Edition)

Dead End: Thriller (German Edition)

Titel: Dead End: Thriller (German Edition)
Autoren: Sharon Bolton
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gehen.
    »Wollen wir was essen gehen?«, fragte er.
    Jetzt könnte es also doch ein Date sein.
    »Ehrlich gesagt habe ich noch was vor.« Ich schaute auf die Uhr. »Ich sollte mich auf den Weg machen.«
    Joesbury lehnte sich auf seinem Stuhl zurück; sein Grinsen war verschwunden. Seine rechte Hand hob sich und rieb die Narbe an seiner Schläfe. »Gehört da zufällig ein Ausflug nach Camden dazu?«
    Als ich Joesbury kennengelernt hatte, war ich fast jeden Freitagabend nach Camden gefahren. Um Männerbekanntschaften zu machen. Seit einer ganz bestimmten Nacht im letzten Oktober war ich nicht mehr dort gewesen. Und zu meinen Plänen für den heutigen Abend gehörte chinesisches Take-out-Essen und früh ins Bett gehen, mit einem Lee-Child-Thriller.
    »So was in der Art.« Ich stand auf. »Ich melde mich im Laufe des Wochenendes bei Ihnen.«
    Er sah zu, wie ich meine Tasche aufhob und die Akte hineinschob. Ich richtete den Blick auf seine rechte Brustseite, genau auf die Stelle, die mit Blut getränkt gewesen war, als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte.
    »Ich bin froh, dass Sie okay sind«, sagte ich. Und ging.

10
    Eine halbe Stunde später war ich zu Hause, aß Singapurnudeln aus einer Pappschachtel und schlug Bryony Carters Akte auf. Die Fotos schob ich resolut zur Seite, bis auf das von Bryony vor dem Unfall. Es zeigte ein außergewöhnlich hübsches Mädchen mit rotblondem Haar, heller Haut und leuchtend blauen Augen.
    Als Erstes las ich den Bericht der Kriminalpolizei. Er war drei Tage nach dem Vorfall datiert und schien durchaus gründlich zu sein. Um 21 Uhr 45, als im großen Speisesaal des St. John’s College gerade Kaffee serviert worden war, war eine in Flammen gehüllte Gestalt hereingestolpert gekommen. Ein geistesgegenwärtiger Mann namens Scott Thornton, der in dem Bericht als Mitarbeiter des Colleges bezeichnet wurde, hatte sich den nächsten Feuerlöscher geschnappt. Als er leer war und Bryony am Boden lag, hatte er alle Anwesenden aufgefordert, die arme junge Frau mit Wasser zu begießen, während er per Handy den Notarzt rief. Scott Thornton hatte Bryony höchstwahrscheinlich das Leben gerettet. Ob sie es ihm danken würde, war eine andere Frage.
    Nachdem das schwer verletzte Mädchen fortgeschafft worden war, hatte die Polizei das College und das dazugehörige Gelände gründlich durchsucht. Ein Benzinkanister war in einem dunklen Bereich einer Freifläche gefunden worden, und der Boden darum herum war mit Benzin getränkt gewesen. Bryonys Fingerabdrücke, und zwar nur ihre, waren auf dem Kanister.
    Ihr ein paar hundert Meter entferntes Zimmer war sauber und aufgeräumt. Sie hatte an jenem Tag Wäsche gewaschen und mehrere Bücher in die Bibliothek zurückgebracht. Eine getippte Nachricht für ihre Mutter hatte auf dem Nachttisch gelegen. Die Quittung für den Benzinkanister war zwischen diversen anderen Belegen in der Stiftablage in ihrer Schreibtischschublade gefunden worden. Auf dem Boden lagen die Wasserpfeife, das Drahtsieb und der Tabakkopf, die sie benutzt hatte, um die Dämpfe einer starken halluzinogenen Droge zu inhalieren.
    Ihre Mitbewohnerin, eine junge Frau namens Talaith Robinson, hatte bei der Befragung gesagt, Bryony sei schon seit einer ganzen Weile unglücklich und verstört gewesen; sie hätte jedoch wirklich nicht damit gerechnet, dass sie etwas so Drastisches tun würde. Der Bericht war von einem Detective Sergeant verfasst und von seinem Vorgesetzten unterschrieben worden, einem DI John Castell.
    Es war inzwischen üblich, erfuhr ich beim Weiterlesen, eingehende Nachforschungen über den Gemütszustand von Selbstmordopfern anzustellen. Da an Bryonys Genesung noch immer große Zweifel bestanden, hatte die Kriminalpolizei auch in ihrem Fall ein psychologisches Gutachten angefordert. Dr. Oliver, die Psychiaterin, die für Bryony zuständig gewesen war, hatte es angefertigt.
    Dr. Olivers Zusammenfassung zu Beginn des Gutachtens verriet mir, dass Bryony Carter eine junge Frau war, die ein starkes Bedürfnis hatte, geliebt und betreut zu werden, und die die Verantwortung für ihr Leben gern an jemand anderes abgeben wollte, an einen gütigeren und stärkeren Partner – einen Seelengefährten, der sich ihrer annehmen würde. Das Gutachten schilderte ein angespanntes Verhältnis zu beiden Eltern. Der Vater, der einen zeitraubenden Beruf hatte, war nur selten da, und die Mutter schien sich nicht besonders für Bryony, das jüngste ihrer vier Kinder, zu interessieren. Bryony war in
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