Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Titel: Dead Beautiful - Deine Seele in mir
Autoren: Y Woon
Vom Netzwerk:
Und warum der Wald, die Münzen, der Stoff ? Wenn jemand meine Eltern umgebracht hatte, dann war das Absicht, und das bedeutete, dass derjenige noch irgendwo frei herumlief. Aber da war auch noch das Rätsel mit meiner Mutter, die so unerklärlich verhärmt ausgesehen hatte, viel älter als am Tag davor. Wie konnte das sein? Vielleicht waren sie wirklich wandern und hatten beide einen Herzinfarkt. Vielleicht war es Selbstmord. Vielleicht drehte ich auch langsam durch.
    Beim Jachthafen angekommen, zogen Annie und ich unsere Schuhe aus und gingen hinunter zum Felsstrand. Die Anlegestelle, die tagsüber mit ihren Booten so farbenfroh wirkte, war nun mit bläulichen Schatten verhangen.
    »Danke fürs Abholen«, sagte ich zu Annie und tauchte meine Zehen ins Wasser.
    »Immer gern.« Sie setzte sich auf die Steine. »Neulich ist mir übrigens Wes über den Weg gelaufen.«
    Ich schaute sie erwartungsvoll an.
    »Er hat nach dir gefragt. Wollte wissen, wie du mit … alldem fertigwirst. Er hat dich wohl angerufen, aber du hast dich nicht gemeldet.«
    »Er hat mich angerufen?« Ich war baff. Die ganze letzte Woche hatte ich kein einziges Mal an ihn gedacht und es wäre mir gar nicht in den Sinn gekommen, dass er an mich denken könnte. Seit der Nacht im Wald hatte das Telefon dauernd geklingelt – Freunde, Nachbarn, die Polizei, die Versicherungen. Irgendwann hob ich einfach nicht mehr ab und überließ alles meinem Großvater.
    »Er hat gemeint, dass er auf den Anrufbeantworter gesprochenhat. Er hat sich Sorgen gemacht und wollte einfach nur wissen, ob du okay bist.«
    »Kommt mir vor wie Jahre, dass ich ihn zuletzt gesehen habe«, sagte ich, eher zu mir selbst, und musste lächeln. Zum ersten Mal seit dem Tod meiner Eltern fühlte ich, wie sich etwas in mir regte. Wenn ich an Wes dachte – an sein kratziges Kinn, seine muskulösen Arme, seine braunen Locken und daran, wie er mit seiner Hand meinen Nacken entlanggefahren war, als er mich küsste –, dann war es fast, als ob gar nichts geschehen wäre, als ob ich einfach in mein altes Leben zurückkehren könnte. Seit jener Nacht im Wald hatte ich nichts mehr empfunden; ich konnte es nicht zulassen. Wie in Trance hatte ich die letzte Woche zugebracht – mein Körper hatte sich durch das Haus bewegt, als wäre er lebendig, während in ihm drin mein Geist bei den Toten weilte.
    Ganz plötzlich packte mich ein unglaublicher Drang, mehr zu spüren: Schmerz, Glück, einfach irgendwas . Vor mir lag das Wasser völlig ruhig, so als würde es mit gewaltigem Druck von der Nacht niedergepresst.
    Ich hatte keinen Badeanzug an, aber das war mir egal. Dieser entlegene Teil des Hafens war nachts immer verlassen. Ich riss mir die Kleider vom Leib und sprang ins Meer. Die eisige Kälte schnürte mir die Luft ab und das Salzwasser brannte in den Augen.
    Als ich auftauchte, kam Annie gerade hereingewatet; ich spritzte sie nass und sie kreischte auf. Ich tauchte wieder unter und schwamm weiter hinaus. Die Boote um mich herum schaukelten sacht auf dem Wasser, und als ich einen Blick zurückwarf, sah ich Annie auf dem Rücken treiben und in den Himmel starren.
    Dann drehte ich mich wieder um und stellte fest, dass vor mir etwas zur Wasseroberfläche aufstieg.
    Es war rund und länglich, behängt mit etwas, das wie eine Schleppe zerfledderter Kleidung aussah, und bewegte sich träge auf den kleinen Wellen. Es war von einer ungesunden bleichen Farbe.
    Ich schrie und schwamm zurück zum Ufer; meine Arme peitschten wild durchs Wasser.
    »Was ist passiert?«, rief Annie außer sich und stellte sich wieder hin.
    Ich zeigte auf die Bucht. »Da draußen treibt jemand.«
    Annie sah hinaus. »Die Boje?«, fragte sie schließlich.
    »Ich hab gedacht«, sagte ich nach Luft schnappend, »ich hab gedacht, das wär ein Mensch.«
    Besorgt schaute Annie mich an. »Das ist nur eine Boje voller Seetang.«
    Peinlich berührt blinzelte ich und zwang mich, genauer hinzusehen. Ich seufzte vor Erleichterung, als ich feststellte, dass sie recht hatte. »Tut mir leid. Bin anscheinend wirklich am Durchdrehen.«
    Wie aufs Stichwort ging ein Licht an und leuchtete aufs Wasser. »Ist da wer?«, rief jemand von einem Boot aus, das in der Bucht vor Anker lag.
    »Oh Gott«, sagte ich, nicht gerade wild darauf, in Unterwäsche gesehen zu werden. »Lass uns verschwinden.« Und im Mondlicht wateten wir zurück ans Ufer.
    Nachdem Annie mich abgesetzt hatte, schlich ich mich durch den Hintereingang rein, in der Hoffnung, dass mein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher