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Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Titel: Dead Beautiful - Deine Seele in mir
Autoren: Y Woon
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Großvater schon ins Bett gegangen war. Gerade hatte ich esin die Küche geschafft, als sich eine bedrohliche Gestalt im Türrahmen abzeichnete.
    Ich erstarrte. »Mist!«, murmelte ich.
    »Du warst schwimmen, wie ich sehe«, sagte mein Großvater streng. Sogar zu dieser Uhrzeit trug er noch seinen teuren Tweedanzug und den Gehrock.
    »Mir war heiß.«
    Meine Ironie war nicht an ihn verschwendet. »Hältst du das für einen Witz?«, fragte er laut.
    Die plötzliche Schärfe in seiner Stimme ließ mich zusammenzucken.
    »Du könntest jetzt tot sein. Glaubst du, meine Regeln sind reine Willkür? Dass ich sie dir aufzwinge, um dich zu quälen?«
    »Tot? Wie meine Eltern? Vielleicht wär das gar nicht mal so schlecht, dann müsste ich wenigstens nicht mehr so weiterleben.«
    Er betrachtete mich prüfend. Ich presste mein Sweatshirt gegen die Brust und wartete darauf, dass er etwas sagte. Es war so still, dass ich das Wasser aus meinem Haar auf den Linoleumboden tropfen hörte.
    »Ich bedaure, dass du das so empfindest«, sagte er. »Das lag nicht in meiner Absicht. Trockne dich ab und dann geh schlafen. Wir unterhalten uns morgen früh.«
    Am nächsten Morgen erwachte ich spät und stieg auf Zehenspitzen die Treppe hinab. Zum ersten Mal seit seinem Einzug hatte mich mein Großvater das Frühstück verschlafen lassen. Das hätte ein Triumph sein können, war aber derart untypisch für ihn, dass es mich misstrauischmachte. Mein Großvater saß im Wohnzimmer, im Lesesessel meines Vaters, eine Zeitung auf dem Schoß. Dustin räumte gerade seine Tasse vom Beistelltisch ab. Vorsichtig betrat ich das Zimmer, um nicht zu sehr auf mich aufmerksam zu machen.
    »Renée«, sagte er, beinahe herzlich, »komm herein.« Er deutete auf den Esstisch.
    Er trug Hosen und Gehrock, dazu eines seiner Manschettenhemden, die jeden Abend von Dustin gestärkt und gebügelt wurden. Sein schütteres weißes Haar, sonst makellos frisiert, war an der Seite zerzaust, wohl weil er seinen Kopf auf die Hand gestützt hatte. Er trank einen Schluck Wasser und ich rüstete mich für die Strafpredigt.
    »Setz dich doch«, sagte er.
    Dustin zog einen Stuhl für mich heran und holte eine Serviette und ein Gedeck hervor.
    »Ich habe viel über deine Situation nachgedacht«, fuhr mein Großvater fort.
    Ich zupfte an meinen Shorts herum und musterte seine lange, gerötete Nase. Sie war derart gewaltig, dass sie im Gesicht eines jüngeren Menschen schlichtweg unvorstellbar schien.
    »Und ich habe beschlossen, dich zur Schule zu schicken.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Was? Aber ich geh schon zur Schule.«
    »Auf ein Internat. Und zwar auf eines der besten.«
    Schockiert fuhr ich hoch. Mein ganzes Leben war hier – Annie, meine Freunde, meine Lehrer, die Leute, mit denen ich aufgewachsen war. Sie waren alles, was ich noch hatte. Mein zweites Highschooljahr würde demnächst losgehenund ich hatte es in die Lacrossemannschaft und den Aufbaukurs Geschichte geschafft, der eigentlich für den Abschlussjahrgang reserviert war. Und da war natürlich Wes …
    »Aber das darfst du nicht!«, rief ich, obwohl ich mir da nicht sicher war. Wie konnte er mich hier einfach so wegreißen?
    Er faltete seine Hände über dem Knie. »Es ist höchste Zeit, dass du eine richtige Schulbildung bekommst. Humanistische Bildung. Ich habe gesehen, was heutzutage in den Schulen abläuft; wie die Schüler wählen dürfen, was ihnen zu lernen beliebt und was nicht. Eine ineffiziente Methode, wie schon tausendfach erwiesen. Das Gottfried-Institut gibt es schon seit Jahrhunderten. Ich bin mir sicher, dass es dich mit dem gleichen soliden Fundament versehen wird wie deine Mutter.«
    Ich wollte dazwischenfahren, doch als er meine Mutter erwähnte, hielt ich mich zurück. Ich hatte nicht gewusst, dass sie ins Internat gegangen war. Sie hatte mir Geschichten von ihrer Kindheit erzählt, über die Highschool und wie sie meinen Vater kennengelernt hatte. Aber nie hatte sie mir erzählt, dass sie auf einem Internat gewesen war, geschweige denn auf einem renommierten. Mein Vater musste auch dorthin gegangen sein, da sie sich aus dem Englischunterricht kannten. Warum hatte sie das verschwiegen?
    »Ich geh da nicht hin«, sagte ich herausfordernd. »Du kannst mich nicht zwingen.«
    Seufzend schüttelte er den Kopf. »Ganz im Gegenteil, das kann ich durchaus. Deine Eltern haben mich in ihren Testamenten mit deiner Sicherheit betraut. Als dein ersterVormund liegt es in meiner Verantwortung, so zu handeln,
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