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Daughter of Smoke and Bone

Daughter of Smoke and Bone

Titel: Daughter of Smoke and Bone
Autoren: Laini Taylor
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entdecken, denn die neueste Ausgabe des »Lonely Planet Guide« hatte der Welt das lange gehütete Geheimnis verraten.
    »Die früher an das mittelalterliche Kloster angeschlossene Kirche brannte vor etwa dreihundert Jahren ab, doch die Mönchszellen existieren noch und wurden zu einem Café umgebaut, wie Sie es sonst nirgendwo auf der Welt finden werden, dekoriert mit klassischen Statuen, auf denen der Besitzer des Etablissements seine gesamte Gasmaskensammlung aus dem Ersten Weltkrieg zur Schau stellt. Der Legende nach verlor im Mittelalter ein Klosterkoch den Verstand und brachte das gesamte Kloster mit vergiftetem Gulasch um, daher auch der makabre Name des Cafés und seine Spezialität: Gulasch, natürlich. Nehmen Sie Platz auf einem der Samtsofas und legen Sie die Beine auf einen Sarg. Vielleicht stammen die Schädel hinter der Bar von den ermordeten Mönchen, vielleicht auch nicht …«
    Im letzten halben Jahr waren einige Rucksacktouristen durch den Torbogen marschiert, um dieses umwerfend morbide Stückchen Prag zu bewundern und natürlich auch auf den Ansichtskarten zu erwähnen, die sie an ihre Lieben zu Hause verschickten.
    Heute Abend jedoch war es sehr ruhig im Café. In einer Ecke fotografierte ein Elternpaar seine Kinder, die mit Gasmasken posierten, am Tresen kauerten ein paar Männer, aber die meisten Tische – die tatsächlich Särge waren, flankiert von samtbezogenen Sitzbänken – waren leer. Überall standen römische Statuen, lebensgroße Götter, Nymphen mit fehlenden Armen und Flügeln, und in der Mitte des großen dunklen Raums thronte unter dem Steingewölbe eine Kopie der Reiterstatue von Marc Aurel, deren Original den Kapitolsplatz in Rom ziert.
    »O gut, die Pestilenz ist frei«, sagte Karou und ging auf die riesige Skulptur zu. Sowohl der römische Philosoph und Kaiser als auch sein Pferd trugen Gasmasken, wie alle anderen Statuen im Lokal, und Karou musste bei seinem Anblick immer an den ersten Reiter der Apokalypse denken, die Pestilenz, die mit ausgestrecktem Arm die Plage aussät. Der Lieblingstisch der Mädchen stand im Schatten des Standbilds, und man hatte an ihm sowohl seine Ruhe als auch – durch die Beine des Pferds – einen guten Überblick über den Raum, so dass sie sehen konnten, ob jemand Interessantes hereinkam.
    Sie legten ihre Portfolios weg und hängten ihre Mäntel an Marc Aurels steinernen Fingerspitzen auf. Der einäugige Eigentümer des Lokals hob hinter der Bar die Hand, und sie erwiderten seinen Gruß auf die gleiche Weise.
    Inzwischen waren sie seit zweieinhalb Jahren Stammgäste in der GIFTKÜCHE . Damals hatten sie, beide fünfzehnjährig, gerade ihr Studium an der Kunstakademie begonnen. Karou war ganz neu in Prag gewesen und kannte keine Menschenseele. Ihr Tschechisch war zu der Zeit noch ganz frisch – sie hatte es sich mit Hilfe eines
Wunschs
angeeignet, nicht etwa durch mühsames Lernen, denn sie sammelte Sprachen, und Brimstone schenkte ihr immer welche zum Geburtstag –, und es hatte immer noch einen komischen Geschmack auf ihrer Zunge gehabt, wie ein fremdes Gewürz.
    Davor war sie in England auf dem Internat gewesen, und obwohl sie auch mit einem makellosen britischen Akzent sprechen konnte, hatte sie den amerikanischen beibehalten, den sie als Kind entwickelt hatte, so dass ihre Kommilitonen sie für eine Amerikanerin gehalten hatten. In Wahrheit hatte sie keinerlei Anspruch auf irgendeine Staatsangehörigkeit. Alle ihre Papiere waren Fälschungen, und ihre Akzente reine Imitation – außer in ihrer Muttersprache, die jedoch nicht menschlichen Ursprungs war.
    Zuzana dagegen war Tschechin und stammte von einer langen Reihe von Marionettenspielern aus Cesky Krumlov ab, einem hübschen kleinen Städtchen in Südböhmen. Ihr großer Bruder hatte die Familie damit geschockt, dass er zur Armee gegangen war, aber Zuzana hatte das Marionettentheater im Blut und hielt die Familientradition aufrecht. Auch sie hatte niemanden an der Akademie gekannt, und wie der Zufall es so wollte, hatten sie und Karou im ersten Semester gemeinsam die Aufgabe bekommen, für eine benachbarte Grundschule ein Wandgemälde anzufertigen. Eine Woche lang standen sie jeden Abend auf der Leiter, und in dieser Zeit gewöhnten sie sich an, nach getaner Arbeit in der GIFTKÜCHE etwas zu essen. Dort hatte ihre Freundschaft Wurzeln geschlagen, und als das Gemälde fertig war, hatte der Besitzer sie angeheuert, die Waschräume seines Etablissements mit Szenen von Skeletten auf
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