Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dauerhaftes Morgenrot

Dauerhaftes Morgenrot

Titel: Dauerhaftes Morgenrot
Autoren: Joseph Zoderer
Vom Netzwerk:
Tamariskenreihe, keine Spur eines Autoreifens, und, so weit sie blicken konnten, die Bläue des Meeres und den Sand. Sie aßen Ziegenkäse und violette Oliven; von einem Sandhügel herunter hüpfte der Hund mit den weißen Pfoten, eigentlich, das sah Lukas erst jetzt, war nur eine Pfote bis zum Schenkel hinauf weiß, die anderen waren schwarz.
    Er fühlte seine Kordhose warm über den Knien und grub mit den Füßen bis auf den feuchten Grund des Sandes. Da stand Livia mit gespreizten Beinen über ihm, drückte ihre Fersen gegen seine Rippen und ließ mit einem Platsch ein Ding auf seine Brust fallen. Einige Atemzüge lang ließ er es dort liegen, halb auf seiner Brust, halb auf seinem Magen, es ekelte ihn der Gestank. In ihrem Gesicht waren Neugier und Angst oder Verachtung und Zutraulichkeit, er griff nach dem Ding und schubste es, Federn fassend, in den Sand. Er wollte ihr Gesicht sehen, das sich abwandte, während er doch gleichzeitig ihre Hand, eigentlich nur die Spitzen ihrer Finger über seinem Mund fühlte. Es war eine Möwe, die sie ihm gebracht hatte, er hielt den Vogelkopf sehr nahe an seine Augen, ein breit angesetzter, gefräßiger Schnabel, die Augen tot und kugelig; er wälzte sich herum, kniete sich auf und warf Sand über den Vogel.
    Im Hotelzimmer kreiste er vor dem offenen Fenster, vor dem der Hagel niederprasselte, er ging im Kreis wie der Hund, der nach seinem Schweif schnappte, er freute sich über das Prasseln der Schloßen auf den Asphalt, eine Freude, mit der er nichts anzufangen wußte, als ob das Wetter schuld wäre an der Angst, sich über anderes zu freuen.
    Ich stelle mir deinen Tod vor, ich versuche die Augen zu schließen und dich ausgestreckt vor mir liegen zu sehen in einem Grabloch. Und dann weiß ich, daß ich dich lebendig machen würde, ganz gleich, ob du blonde, graue oder schwarze Haare hättest.
    Er klemmte sich das Handtuch hinter den Kragen und begann den Vollbart mit der Nagelschere zu schneiden. Zuerst arbeitete er wie schlaftrunken, aber das Zwicken der Schere machte ihn hellwach, er fuhr mit der gebogenen dünnen Schere ins Haargekraus, drückte ab und sah auf das Loch, das er herausgeschnitten hatte, er schnitt sich Löcher heraus, an beiden Wangen und an der Kinnspitze, später fuhr er wahllos, planlos mit der Schere in den Bart und schnippelte und schnitt, schließlich seifte er sein Gesicht ein und rasierte es mehrmals.
    Aus den Augenwinkeln heraus fing er Livias Arm- und Handbewegungen ein, während sie sich mit Sonnenöl bestrich. Das Haar fiel ihr über das Kinn bis zur Halsmitte herunter, er wollte mit ihr leben. Über der Felszunge, nicht weit entfernt von der Stelle, wo sie die Wäsche in den Sand geworfen hatte, sah er zwei Möwen kreisen, mit ausgebreiteten Flügeln ließen sie sich vom Wind hinauftragen, kurvend senkten sie sich, knapp über dem Wasserspiegel segelnd. Er stand auf und wanderte wortlos an Livia vorbei zum Felsausläufer, von ferne spiegelte dort die ruhige Wasserfläche, kräuselte sich kaum die Flut, ein von der Natur geschaffener Hafen, die breite Felsplatte schob sich fast glatt ins Meer hinaus und nur das äußerste Ende ragte als Nasenhöcker aus dem Wasser. Während sich die Wellenkämme hinter ihm gegen den Strand wälzten und den Sand vom Land rissen, blinkte hier ein blanker blauer Spiegel. Mit langsamen Schwimmzügen glitt er in die Ruhe dieses Wassers, und es schien ihm, als ob er der Sonne entgegenruderte, er drehte sich um und rief Livia zu, komm, doch sie konnte ihn wohl nicht hören, er formte seine Hände zu einem Trichter und schrie, komm, und tatsächlich sah er sie an die Wasserlinie herantreten, neben ihr der Hund, aber sie winkte ihm nur zu. Komm, komm, lockte er und tauchte, um ihr Mut zu machen, für einige Längen unter Wasser. Er achtete darauf, in der Nähe des Felsrückens zu bleiben, der ihm die Sicherheit eines Beckenrandes bot. Aber Livia schwamm nicht hinter ihm her; wenn er den Kopf zurückwandte, sah er sie mehr und mehr undeutlich, wie Grimassen schneidend, im Uferwasser herumstorcheln, sie war keine Schwimmerin, noch weniger als er.
    Schwimmend blies er mit der Unterlippe kleine Fontänen auf; wenn er den Kopf unter Wasser hielt, drang die Meeresbewegung an sein Ohr als ein perlendes Klingeln. Die Arme ausbreitend, hatte er das Gefühl zu segeln, ja, er hatte die Empfindung,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher