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Dauerhaftes Morgenrot

Dauerhaftes Morgenrot

Titel: Dauerhaftes Morgenrot
Autoren: Joseph Zoderer
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vor, würde ihm Johanna erzählen, daß der Mann verunglückt sei.
    Während er auf der bekanntesten Straßenkreuzung der Innenstadt zwischen den Nachbarkörpern Raum suchte, dachte er, als er Johannas Blick begegnete, daß alles eines Tages oder zu jeder nächsten Stunde wieder von neuem müßte beginnen können.
    Sie trafen sich immer wieder in einer abgelegenen Gasse, am ersten Abend war Johanna in einem weißen Skianzug gekommen, obwohl in dieser Novemberwoche die Straßen noch staubten. Sie hatten die Skier auf seinen Wagen geschnallt, durch eine leichte seichte Finsternis waren sie zur Grenze gefahren in ein Gebirgstal, wo der Schnee schon über den Giebelhauben hing und die Wege weiß gepolstert waren an den Rändern.
    Gegen Morgen in dieser Nacht hatte er Johanna in dem Pensionszimmer gefragt, warum sie sich in seinem Traum immer über den anderen und nie über ihn beuge, wenn es zum Ende hin ging, und während er, sein Gesicht über dem ihren, Johanna gefragt hatte, war kein Laut durch die holzgetäfelten Zimmerwände gedrungen. Sie lebe jetzt mit ihm, hatte sie geantwortet, und er in ihr, aber dies sei nicht ein Ende, nie werde sie, was auch immer geschehe, diesen Mann verlassen, erst durch ihn habe sie begonnen, sich lebendig zu fühlen. Wann, hatte er gefragt, hast du ihn zum letztenmal geliebt? Bevor ich, sagte sie, zu dir gekommen bin.
    Aber den verschneiten Bach entlang, auf dessen eisverkrustete Steine er wie auf eine Geborgenheit hinblickte, sagte Johanna: Ich wollte, ich könnte mit dir leben.
    Den Bach entlang gehend bemerkte er den rauchig nebeligen Atem, den Johanna mit jedem Wort ausstieß, eigentlich hätte er sich hier unter den Eschen und Erlen, die mit groben Salzkörnern bestreut schienen, ein Ende leichter vorstellen können, vertrauter als auf der von Menschenleibern überhäuften Straßenkreuzung, und er freute sich für sie beide über den flaumigen Schnee für ihre Stiefel und für ihre Hände, über dieses Eintauchen in weiche Innenflächen, und auch über das regelmäßige Glucksen des Wassers, das ihn an Schulheimwege erinnerte.
    Als sie sich dem Dorf wieder näherten, versetzten die noch entfernt schimmernden Lichter sie in eine übermütige Wildheit, sie begannen den Schnee aufzuwirbeln, aufzuwühlen, rafften Flockenflächen zu Bällen zusammen, rundeten und kneteten sie hastig und schleuderten sie in ununterbrochener Folge gegen den Kopf oder die Brust oder den Rücken des anderen, jeder Treffer war ein Lustschrei und auch ein Schrekkensschrei. Tatsächlich hatte er dieses Schauspiel schon viele Male vorgeträumt, und er rieb, als Johanna endlich im Schnee lag, ihre Wangen nicht mehr mit Schneebällen, sondern sah auf sie hin, wie sie in ihrem weißen Kunststoffanzug freiwillig auf dem Rücken hin- und herrollte, erst nach einer Weile schüttete er Schnee über ihre Knie und ihre Brust, und sie wehrte sich nicht, sondern beobachtete ihn durch den Schneestaub hindurch, als erwarte sie von ihm, daß er sie eingrabe, wie im Sommer unter dem Meeressand.
    Er betrat hinter ihr das Pensionszimmer und hörte sie halblaut sagen: Die Decke ist aus Holz, aber die Wände sind verputzt mit weißem Mörtel. Sie schlief mit dem Mund zur Tür, sie hatte darauf bestanden und ihn angefaucht. Sie hatten in einer Bar getanzt, zwischen Holzwänden, und er hatte sie zu überreden versucht, mit ihm zu leben, bis sie sich, stellte er sich vor, sogar seiner schämte an diesem Abend, du klammerst dich an, sagte sie, du kannst doch tanzen. Und mitten im Rhythmus hatte sie sich aus seiner Umarmung gelöst und war über die Stiege hinausgelaufen, sie hatte draußen im Schnee auf ihn gewartet, hatte sich auch in ihren Fellmantel helfen lassen und den Schneeweg zu ihrer Pension wortlos eingeschlagen, er hatte sie zum Reden bringen wollen, aber sie war immer schneller geworden. Lauf über das Grönlandeis, schrie er ihr nach, und sie lief nicht, sondern zog ihre Stiefel aus und ließ sie auf dem Schneepfad liegen, und während er die Stiefel aufnahm, ging sie ohne Eile weiter, du liebst mich nicht, schrie er, und sie hielt inne und schlüpfte aus ihren Strümpfen, mit nackten Füßen stieg sie die vereisten Wegschleifen hinauf bis zu ihrer Unterkunft. Lukas sah die bloßen Füße sich heben und senken im Schnee, und den Rand des Fellmantels bis zur Mitte
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