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Dauerhaftes Morgenrot

Dauerhaftes Morgenrot

Titel: Dauerhaftes Morgenrot
Autoren: Joseph Zoderer
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nahm und nun ihrerseits ihm entgegenhielt. Lukas sah in Giannas Gesicht und sah darin keinen Schrecken, sie verzog nicht einmal die Lippen, und so griff Lukas nach dem Revolver, öffnete das Fenster zum Innenhof und warf das Spielzeug hinunter. Es ist eine Heldenpose, die ich spiele, spielen muß, und dabei lachen sie nicht einmal, weder der Dicklippige noch die Alte.
    Gianna führte ihn in das Fotozimmer, die Velourvorhänge waren zugezurrt und das plötzlich eingeschaltete Lampenlicht reizte ihn zu einem Auflachen, dabei war ihm dieses Zimmer fast schon vertraut, mit dem Stapel bemalter Briefumschläge auf dem Nachttischchen, dem Fernseher in der Nische zwischen Schrank und Vorhang, mit den Zeitungen und Schachteln auf dem Fußboden.
    Lukas fühlte seinen Kopf zur Deckenlampe wachsen, aber so sehr er sich auch streckte, seine Haare stießen nicht an den Schirmrand. Eigentlich hatte Gianna ihn ins Zimmer hineingeschubst und war gleich wieder verschwunden, er stand noch im Mantel da. Draußen regnete es weiter, trommelte der Regen in Wischern gegen das Fenster, rasch zog Lukas den Mantel aus und warf ihn auf einen der Zeitungshaufen und blieb doch am Fußende des Bettes stehen, knöpfte nicht einen einzigen Jackenknopf auf, er war schon zufrieden, daß sein Mantelwurf so zielsicher gelungen war, daß er nicht einmal den Zeitungsstapel umgeworfen hatte, er blieb bewegungslos, ohne auf irgend etwas zu warten, denn im Grunde paßte ihm, gehörte ihm dieser Ort, an dem ihm schon einmal zum Kotzen gewesen war, es hätte dieser Ort nirgendwo anders sein können. Er schlüpfte aus den Schuhen und legte die Jacke über den Tisch, als Gianna vom Bad hereinkam in einem schwarzseidenen Hemd, das bis zu den Knöcheln fiel, so mager hatte er sie sich unter dem Pelz nie vorgestellt, obwohl sie nicht dünn, sondern schlank in den Hüften war, sie hatte zerbrechliche Schultern, aber ihre Brüste waren fest und spitz. Langsam schloß sie die Tür, drehte auch den Schlüssel um, als im Haus etwas zerplatzte. Zwei-, dreimal wiederholte sich dieses Knallen, aber ohne darauf zu achten näherte Gianna sich Lukas so behutsam, daß er dachte, ich muß sie mit einem Ruck an mich reißen, doch sie kehrte sich zwischen ihm und der Tür noch einmal um und sagte: Jetzt ballert er durch das Hoffenster auf die Müllkübel.
    Sie zog ihm das Hemd über die Arme und öffnete seinen Gürtel, dann wartete sie und sah zu, wie er seine Socken abstreifte, sie bewegte sich kaum, blieb vor ihm stehen, bis er nackt war, erst dann legte sie die Fingerspitzen auf seine Brust, er roch ihre Haare, sie streifte ein Armband herunter und ließ es auf den Teppich fallen.
    Nie war ich so nahe daran, meine Sprache zu finden, ich zog das Leintuch herauf und die Decke, und dachte, was für ein Wahn der Selbstherrlichkeit.
    Er hört Giannas Zungengeräusch (er ist ein Taxigast, der sich durch Schneetreiben fahren läßt, ohne eine Adresse angeben zu können, er beschwichtigt den Taxifahrer, indem er ihm eine Reihe ähnlicher Straßennamen nennt, bis er endlich einen sagt, den es gibt, er bezahlt den Chauffeur und stapft durch flaumigen Neuschnee auf die Eingangstür irgendeines Wohnblocks zu, findet den Namen und läutet, und tatsächlich öffnet sich die Haustür und er hört Johannas Stimme aus dem Treppentelefon).
    Er berührt Giannas Gesicht, unter seinen Fingern verdünnt es sich, wird filigran wie eine chinesische Teeschale und bleibt doch warm und rund wie das Bein eines Tieres, sie läßt alles zu, schließt die Augen, um ihn nicht zu ängstigen.
    Ihre Brüste sträuben sich gegen seine Zähne, aber sie führt sie ihm zu, sein Gesicht stillt sich an ihrer Stille, beruhigt sich an ihrer Ruhe.
    Als ob wir uns immer lieben könnten, hätte Lukas sagen wollen.
    Langsam dreht er sich zur Seite, während sie noch auf dem Rücken liegen bleibt. Er zieht die Decke über sie und sich, und endlich wendet sie sich ab und ihr Rücken krümmt sich in den Schlaf.
    Er sah dem Dicklippigen zu, wie er ein Fleischmesser aus der Schublade des Küchentisches kramte und die Schneide nicht einmal prüfte, sondern das Messer ohne Zögern durchs offene Fenster in den Hof schleuderte, in den Innenhof, in diesen Schacht, in dem die Stimme der Betrunkenen widerhallte, und gegen diese Stimme warf sich der Dicklippige in Sängerpose, mit
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