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Dauerhaftes Morgenrot

Dauerhaftes Morgenrot

Titel: Dauerhaftes Morgenrot
Autoren: Joseph Zoderer
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Eingangstür einen kleinen Teil des Mittelschiffes, aber je mehr die Dunkelheit zunahm, desto vielfältiger wurden die Geräusche und Bewegungen, und doch erschrak er, als er plötzlich Remos Baß von der Eingangstür hereindröhnen hörte: Für heute mach ich Schluß.
    Als Lukas aufstand, fiel ihm das Gehen leicht, eine schon lange nicht mehr gekannte Leichtigkeit trieb seine Arme und Beine an, und es kam ihm vor wie ein vertrautes Bild, als die Flügeltüren eines Beichtstuhles sich öffneten und er Margaritas Perücke zu erkennen glaubte, auch das zerbröckelnde Getrippel ihres Taubenschrittes, der sich zum Ausgang hin entfernte.
    Jetzt könnten sie kommen.
    Hast du es geahnt, oder hast du es gefürchtet?
    fragten sie ihn matt.
    Ich weiß es nicht.
    Du fühlst es aber, flüsterten sie,
    gib zu, daß du es fühlst, bettelten sie.
    Vergeßt mich, sagte er,
    ihr könnt mich nicht halten.
    Auf einmal war es ihm selbstverständlich, sich aus der Bank herauszuschieben und die wenigen Schritte zu machen zu einem dieser an der Wand festgemachten Beichtgehäuse, und tatsächlich kniete er vor einem Gitter nieder, das in seinem Muster eine Art Traube darstellte oder ein Herz, das mit einem Bohrer stimmendurchlässig gemacht worden war, er kniete nieder, und hinter den Löchern erkannte er Giannas Gesicht, stumm, keineswegs überrascht, nicht einmal lächelnd.
    Er spürte ihre Augen wie den Pelz eines Wassertieres, er hätte sie etwas fragen können, aber er fragte nicht, sie lockte ihn nicht, sagte nichts, und er sagte nicht, ich weiß nicht, warum ich hier bin, und sie näherte ihren Mund einem dieser Gitterlöcher, die groß genug waren, um den Blick und die Luft und die Stimmen hindurchzulassen, aber nicht groß genug für eine Umarmung. Er schob einen Finger hindurch, es gelang ihm, einen Finger so weit durchzudrücken, daß er die Feuchtigkeit ihrer Lippen daran spürte, er lehnte die Stirn an das Gitter, und auch sie senkte den Kopf und drückte die Stirn an das Holz und ihre Haare kitzelten seine Haut, er konnte ihren Blick nicht sehen.
    Er dachte nicht: Sie ist hinter diesem Gitter, damit ich sie bezahle.
    Er dachte: Wie kann ich ihr am wenigsten angst machen?
    Gehn wir, sagte Gianna.
    Gehn wir, hatte Johanna gesagt.
    Ja, hatte Lukas geantwortet, und er stand auf und trat in den Seitengang hinaus, und gleichzeitig öffnete sich die Tür des Beichtstuhls und Gianna, die ihren Pelz nur übergeworfen hatte, schlüpfte in die Ärmel, während er mit dem Mund ihre Wange streifte und sie es duldete.
    Sie traten in das Neonlicht des Platzes hinaus, Remos Bilderwinkel war leer. Gianna blieb unter einer Bogenlampe stehen und breitete die Arme aus, als könnte sie all den Regen mit ihren Handtellern auffangen, Lukas sah ihr zu, wie sie auf eine Mauerbrüstung zuging und sich darüberlehnte, um über den Hügel hinunterzuschauen, der sich in Terrassenstufen zu einem alten Stadtquartier hin verbreiterte, ihre hellen Perückenhaare klebten an den Wangen, er sah, wie der Regen ihren Kopf formte, wie sich die schmalen Gesichtslinien rundeten unter den zusammensinkenden Haaren, wie fleischig ihr Lachen wurde, als sie sich ihm zuwandte, gehn wir zu mir nach Hause, sagte sie.
    Unten in der Stadt überquerten sie den Platz vor dem Hauptpostgebäude, Lukas verzögerte unwillkürlich seinen Schritt, der Platz schien leer, aber in den Winkeln der Hecken und unter den Sträuchern sah er die Tauben kauern, Gianna schien sie nicht zu bemerken oder achtete nicht darauf, doch sie zog plötzlich mitten auf der kleinen Grünanlage ihren Pelz aus und schwenkte ihn hin und her, und als er ein Mantelstück zu erhaschen suchte, begann sie sich mit dem Pelz zu drehen, tanzend ließ sie den schweren Mantel kreisen, und augenblicklich scheuchte der Luftwirbel die Vögel aus ihren Verstecken auf, Lukas lief auf Gianna zu und versuchte einen Arm einzufangen, aber sie traf ihn mit dem Mantel am Rücken, und er stolperte mit geducktem Kopf auf sie hin, sie mußte ihn halten, und er legte eine Hand an ihren Hals, sie stießen sich mit den Fäusten gegen Brust und Kinn, rieben einmal die Stirn, einmal eine Wange an der Schulter des anderen, während die Tauben auf- und niederflatterten und immer aufs neue vor ihrem Herumtanzen auseinanderstoben. Gianna lachte ihn aus und er lachte ihr zu, und manchmal preßte sie
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