Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
tausendmal lieber mit seinem Vater und Cædmon in das von den dänischen Piraten verwüstete Dorf geritten, als die langweilige Feldarbeit der Sklaven und dienstpflichtigen Bauern zu überwachen, aber er wußte selbst, daß er zu wenig Interesse an der Landwirtschaft zeigte.
    »Natürlich, Vater.«
    Ælfric nickte Cædmon zu, und nebeneinander ritten sie durch den Torbogen der hohen Hecke, die die Halle umgab, und auf die Felder hinaus.
     
    »Was werden wir in Metcombe vorfinden, Vater?« fragte Cædmon, als sie nach einer guten Stunde aus dem Schatten des kleinen Waldes kamen und wieder zwischen frisch gepflügten Feldern einherritten. Ælfric antwortete nicht gleich. Er sah zu dem Gespann aus acht dunkelbraunen Ochsen hinüber, das einen langen, schmalen Feldstreifen entlangtrottete. Ein junger Bauer führte den Pflug, den sie zogen; seine hochschwangere Frau, die kaum älter als Hyld schien, hatte die Hand auf das Joch gelegt und lenkte die Tiere. Es waren unfreie Pächter, die einen ihrer drei Feldstreifen bestellten, und Cædmon wußte, daß höchstens einer der acht Ochsen dem jungen Paar gehörte. Die ärmeren Bauern liehen sich gegenseitig ihre Ochsen aus, so daß ein jeder das notwendige Achtergespann hatte, um seine Felder zu pflügen.
    Cædmon glaubte schon, sein Vater habe ihn nicht gehört. Aber schließlich riß Ælfric sich von ihrem Anblick los und sagte: »Ich habe keine Worte dafür. Vermutlich wirst du niemals vergessen, was du heute in Metcombe siehst.«
    Der Junge schwieg beklommen. Bald tauchten sie wieder in ein Waldstück ein, und nach einer Weile nahm Cædmon einen schwachen, aber durchdringenden Geruch wahr, ein eigentümliches Gemisch aus brennendem Holz, Nässe und Fäulnis.
    Sein Vater hob den Kopf. »So riecht der Krieg, Cædmon.«
     
    Metcombe war einmal ein Dorf von gut siebzig Seelen gewesen. Die Hütten und Katen der freien Bauern hatten sich an die kleine St.-Guthlac-Kirche geschmiegt, ein jedes Haus umgeben von einem Gemüsegarten und einer niedrigen Hecke, über die die strohgedeckten Dächer der kleinen, meist einräumigen Häuschen lugten. Ein unauffälliger Ort. DieBauern lebten vom Ertrag ihrer kleinen Felder, bekamen Fleisch und Milch von den Kühen, Ziegen und Schweinen, die in der Regel mit ihnen unter einem Dach lebten, und Aale, Forellen und Lachse aus dem Fluß, der ihr Dorf säumte, sie seit Menschengedenken vor jeder Hungersnot bewahrt hatte und ihnen jetzt zum Verhängnis geworden war. Cædmon hatte die Schultern hochgezogen und sah sich so wenig wie möglich um. Aber selbst aus dem Augenwinkel nahm er die schreckliche Verwüstung wahr. Die Hütten mitsamt der St.-Guthlac-Kirche waren zu verkohlten, jammervollen Gerippen verbrannt, denen ein bitterer Gestank nach feuchter Asche entstieg. Hier und da hatte jemand in seinem Garten ein kleines, qualmendes Feuer entzündet, um das die Menschen sich fröstelnd scharten. In dreien der niedergebrannten Hütten, die sie passierten, lagen Tote auf groben Holzbänken oder der nackten Erde aufgebahrt; für keinen von ihnen brannte auch nur eine einzige Kerze. Bei einem der Toten kniete eine weinende Frau. Ein Stück abseits stritten zwei kleine Jungen um ein Stück Brot, das im Eifer des Gefechts im Morast gelandet war. Einer der beiden Kampfhähne trug einen schmutzigen Verband um den Kopf. Beide heulten.
    Die Hecken und Gärten waren niedergetrampelt, totes, verstümmeltes Federvieh lag auf dem Weg, die Dorfwiese war eine Schlammwüste. An ihrem Saum standen die Überreste dessen, was einmal die Mühle gewesen war. Dort hielten sie an, und Cædmon folgte dem Beispiel seines Vaters und saß ab.
    Das vergleichsweise große Gebäude war nur teilweise abgebrannt und hatte noch eine Tür. Ehe Ælfric anklopfen konnte, öffnete sie sich, und ein hagerer, großer Mann mit rötlichem Bart trat heraus.
    »Hengest«, grüßte Ælfric höflich. Er nickte zu Cædmon. »Mein Sohn. Cædmon, das ist Hengest, der Müller.«
    Cædmon reichte dem Müller die Hand.
    Hengest zeigte den Anflug eines Lächelns. »Ich bin nicht sicher, ob ich mich so noch nennen darf. Es wird viel Zeit vergehen, ehe ich wieder etwas zu mahlen habe.« Er schlug trotzdem ein.
    »Ja.« Ælfric trat langsam einen Schritt auf ihn zu. »Deswegen bin ich hier.«
    Der Müller verschränkte die Arme. »Ich höre, Thane.«
    »Nun, ich denke, als erstes sollten wir über Saatgut reden. Das ist wohl das dringlichste.«
    »Das ist es allerdings.« Hengest schien einen Moment
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher