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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges
Autoren: Bernard Cornwell
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und wanden sich dann zuckend in der Luft. Hook beobachtete den alten Mann mit der tonnenförmigen Brust eines Bogenschützen. Der Todgeweihte würgte, als er seine Beine anzog, als sie zitterten, sich ausstreckten und er sie erneut anzog, doch selbst im Todeskampf blieben seine hervortretenden Augen auf Hook geheftet, als erwarte er, dass der junge Mann in diesem Moment seine Sarah packen und sie vom Marktplatz wegbringen würde. «Warten wir, bis sie sterben», fragte Snoball Sir Edward, «oder hängen wir uns an ihre Knöchel?» Sir Edward hörte die Frage nicht. Er wirkte unaufmerksam, sein Blick war abwesend, auch wenn man glauben konnte, er betrachte den Mann, der an den nächsten Pfahl gebunden war. Ein Priester hielt vor dem Lollarden mit dem gebrochenen Kiefer eine flammende Predigt, während ein Soldat, dessen Gesicht tief im Schatten seines Helmes lag, eine brennende Fackel bereithielt. «Also lasse ich sie so hängen, Sir», sagte Snoball eher zu sich selbst. Er erhielt keine Antwort.
    «Guter Gott.» Sir Martins Stimme klang ehrfürchtig. Es war der gleiche Tonfall, mit dem er in der Gemeindekirche die Messe hielt. «O mein Gott, mein Gott, nun seht euch diese kleine Schönheit an.» Der Priester hatte seinen Blick auf Sarah gerichtet, die sich von den Knien erhoben hatte und mit Entsetzen den Todeskampf ihres Großvaters verfolgte. «Fürwahr, Gott ist wahrhaftig gnädig», sagte der Priester ergriffen.
    Nicholas Hook hatte sich schon oft gefragt, wie Engel wohl aussehen mochten. In der Dorfkirche gab es eine Wandmalerei, doch es war ein dürftiges Bild, denn die Gesichter der Engel waren nur grob angedeutet, und ihre Gewänder und Flügel hatten von der Feuchtigkeit, die durch den Wandverputz drang, gelbliche Streifen bekommen. Dennoch hatte Hook verstanden, dass Engel Wesen von überirdischer Schönheit waren. Er glaubte, ihre Flügel müssten sein wie die der Fischreiher, nur viel größer, und aus Federn, die genauso schimmerten wie die Sonne im Morgendunst. Er vermutete außerdem, dass Engel goldenes Haar besaßen und lange, sehr saubere Gewänder aus dem weißesten Linnen trugen. Er wusste, dass sie besondere Wesen waren, heilige Geschöpfe, doch in seinen Träumen waren sie zugleich wunderschöne Mädchen, die einem jungen Mann die Ruhe rauben konnten. Sie waren der schiere Liebreiz mit strahlenden Flügeln, sie waren Engel.
    Und dieses Lollardenmädchen war genauso schön, wie sich Hook die Engel vorstellte. Sie hatte zwar keine Flügel, ihr Kittel war schlammverdreckt, und ihr Gesicht war angesichts des Grauens, das sie vor sich sah, und aufgrund der Gewissheit, dass auch sie der Tod am Strang erwartete, zu einer Schreckensmaske erstarrt - aber sie war immer noch bezaubernd schön. Sie hatte blaue Augen, blondes Haar, hohe Wangenknochen, und keine einzige Pockennarbe entstellte ihre Haut. Sie war ein Mädchen, das Männer um den Schlaf bringen konnte - und einen Priester ebenso. «Siehst du das Tor dort, Michael Hook?», fragte Sir Martin. Der Priester sah sich nach den Perrill-Brüdern um, doch sie waren außer Hörweite, also wandte er sich an den nächstbesten Bogenschützen. «Nimm sie und führe sie durch das Tor in den Stall hinter dem Hof. Dort hältst du sie fest.»
    Nick Hooks jüngerer Bruder war verwirrt.«Sie nehmen ?», fragte er.
    «Du sollst sie nicht nehmen! Du nicht, du schwachköpfiger Trottel! Nimm einfach das Mädchen mit in die Stallung des Wirtshauses! Ich will mit ihr beten.»
    «Oh, Ihr wollt beten!», sagte Michael lächelnd.
    «Ihr wollt mit ihr beten, Pater?», fragte Snoball mit einem höhnischen Auflachen.
    «Wenn sie bereut», sagte Sir Martin frömmlerisch, «darf sie am Leben bleiben.» Der Priester zitterte, aber ganz sicher nicht vor Kälte. «Gott in seiner allumfassenden Gnade erlaubt uns das», sagte Sir Martin und blickte mit brennenden Augen auf das Mädchen, «also lässt uns prüfen, ob wir sie zur Reue bewegen können. Sir Edward?»
    «Pater?»
    «Ich werde mit dem Mädchen beten!», rief der Geistliche. Sir Edwards Blick war immer noch auf den nächsten, noch nicht entzündeten Scheiterhaufen gerichtet, auf dem der Lollardenanführer stand und zum Himmel hinaufsah.
    «Bring sie weg, Michael», befahl Sir Martin.
    Nick Hook sah zu, wie sein Bruder das Mädchen am Ellbogen nahm. Michael war beinahe ebenso stark wie sein Bruder, doch er besaß eine Sanftheit und Offenheit, mit der er die Schreckensstarre des Mädchens durchdringen konnte. «Komm, Kleine»,
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