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Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Titel: Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
Autoren: Helen Bryan
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ihn das alles nichts an. »Hier steht, dass es einen alten Aberglauben um die Schwalben gibt, wegen der Art und Weise, wie sie jedes Jahr bei ihrem Vogelzug immer wieder an denselben Ort zurückkehren. Früher ließen sich die Matrosen eine Schwalbe als Glücksbringer tätowieren, damit sie von ihrer Reise sicher wieder zurückkehrten, genauso wie die Vögel. Und wenn sie auf See umkamen, glaubten sie, dass Schwalben herunterfliegen und die Seele der Tätowierten geradewegs in den Himmel tragen würden. Ist das nicht irre? Ganz schön groß, das Kloster, nicht wahr?«, meinte er. Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er nahm die Schutzkappe vom Objektiv seiner Kamera und drehte an der Entfernungseinstellung herum. »Ist bestimmt so groß wie ein ganzer Häuserblock. Wo mag wohl der Eingang sein?«
    Sarah-Lynn faltete ihre Straßenkarte zusammen und sah sich nach einem Tor in der Klostermauer um. Virgil redete wie ein Wasserfall, weil er nervös war. Sie wusste genau, wie ihm zumute war, sie war ja selbst schrecklich aufgeregt. Plötzlich zuckte sie zusammen. Ein alter Mann hielt ihr ein Tablett mit schäbigen Andenken unter die Nase und murmelte: »Billig! Billig!«
    »Virgil, sag diesem Mann, dass wir keine Souvenirs wollen!«
    Ihr Mann blickte den Andenkenverkäufer kopfschüttelnd an. Dann nahm er Sarah-Lynn beim Arm und zog sie weg, um ein Foto von ihr vor dem Tor zu machen, das er inzwischen entdeckt hatte. Dabei redete er weiter. »Bevor die Spanier kamen, hatten die Inkas auf diesem Gelände so eine Art Haus für Frauen, die Jungfrauen der Sonne oder irgendetwas anderes Heidnisches. Sie hatten einen Garten, ganz aus Silber, mit goldenen Blumen.«
    Er sprach weiter, laut und im Plauderton, während er immer wieder auf den Auslöser drückte. »Tja, und die Spanier haben das Haus abgerissen und aus den Steinen haben sie ein Kloster für Nonnen gebaut, die als Missionarinnen aus Spanien hierher kamen. Sie bauten auch eine Schule und ein Krankenhaus für die Töchter der Eingeborenen und ein Waisenhaus. Da gab es jede Menge uneheliche Kinder, die spanischen Männer und die Indianerfrauen … Und die Nonnen nahmen die Kinder auf und sorgten dafür, dass sie getauft wurden und in Sicherheit waren. Hier gab es sogar ein Frauengefängnis …«
    »Ich will nichts über Gefängnisse hören, Virgil! Wir gehen gleich dort hinein und holen unser Kind und wir müssen uns ein für allemal entscheiden, welchen Namen wir ihr geben.«
    »Ich dachte, wir wären uns einig. Wenn es ein Mädchen ist, haben wir immer gesagt, nennen wir es nach deiner Mama. Und wenn es ein Junge ist, sollte er Virgil Walker Jr. heißen.« Sarah-Lynn tätschelte ihrem Mann den Arm. Er hatte sich einen Jungen gewünscht.
    »Gott hat uns dieses kleine Mädchen geschickt. Ich weiß, dass sie etwas ganz Besonderes ist. Wo um alles in der Welt ist das Eingangstor?«
    »Das ist hinter dir. Ich mache ein paar Bilder für das Album, das wir für sie zusammenstellen sollen. Du weißt schon, das Album, von dem die Frau von der Adoptionsstelle gesprochen hat. Und dann sehen wir wohl besser zu, dass wir hineingehen. Schließlich sollen sie nicht auf die Idee kommen, dass wir es uns anders überlegt haben.«
     
    Im Kloster wartete die Oberin hinter ihrem Schreibtisch mit dem uralten schwarzen Telefon. Durch die vergitterten Fenster, die hoch oben in die Wände eingelassen waren, fielen schräg die Sonnenstrahlen. Der Raum war vollgestopft mit schweren, altmodischen Möbeln aus dunklem, geschnitztem Holz. An den Wänden hing die Portraitsammlung des Klosters. Mädchen mit dunklen Augen und dichten Augenbrauen, in feinen Kleidern, mit Schmuck um den Hals und Blumen in den Händen starrten auf die Oberin herab. Es waren längst verstorbene monjas coronadas , gekrönte Nonnen, Mädchen kurz vor ihrem Eintritt ins Kloster. Ein solches Portrait einer Tochter, die Christus geweiht war, galt im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert in den Familien der spanischen Kolonialherren als Statussymbol. In ihren salas grandes , in denen man Besuch empfing, waren diese Bilder deutlich höher an der Wand angebracht als die Verlobungsbilder von Töchtern, die mit ganz normalen Männern vermählt wurden. Es war üblich gewesen, diese Portraits schließlich dem Kloster des Mädchens zu schenken. Die Oberin empfand ihre stumme Anwesenheit als beruhigend und oft genug bat sie sie in Klosterangelegenheiten um ihren imaginären Rat.
    Die altmodische Wanduhr tickte. Die Oberin fragte
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