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Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Titel: Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
Autoren: Helen Bryan
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Preis vor ihrem Vater zu schützen gilt. Luz, die begnadete Stickerin, die das wundervolle Altartuch gefertigt hat, das wir der Königin als Geschenk geschickt haben, muss zurückbleiben. Sie würde die anderen auf ihrer Reise in Gefahr bringen. Da sie nicht sprechen kann, werden sie vielleicht Gnade walten lassen.
    Vielleicht.
    Die verwitwete Schwester der Äbtissin, die Beata Sor Emmanuela, wird die vier Mädchen auf ihrer Reise begleiten. Als Laienschwester ist Sor Emmanuela nicht an die Klausurregel der Kirche gebunden, die es Nonnen unmöglich macht, die Klostermauern ohne eine schriftliche Erlaubnis zu verlassen.
    Die Äbtissin hält es für das Sicherste, die Verantwortung für die Medaille und die Chronik zwischen Sor Emmanuela und dem ältesten Mädchen, meiner Helferin Esperanza, aufzuteilen. Sor Emmanuela wird die Medaille um den Hals tragen, doch der Schlüssel zu ihrer Bedeutung ist in der Chronik verborgen. Esperanza wird die Chronik an sich nehmen. Die Äbtissin hat ihr aufgetragen, einen Bericht über die Reise zu verfassen, so wie ich es getan hätte, und ich habe ihr unser Evangelium gezeigt, das in lateinischer Sprache geschrieben auf den mittleren Seiten der Chronik versteckt ist. Sie hat keine Mühe, die lateinische Sprache zu lesen und zu verstehen. Noch wichtiger ist jedoch, dass sie den Hinweis auf jene Überzeugungen verstehen wird, die den Juden, den frühen Christen und später den Muslimen gemeinsam sind. Es sind Überzeugungen, die ein fruchtbarer Boden für Frieden unter den unterschiedlichen Religionen sein sollten, nicht für gegenseitige Verfolgung. Sollte der Chronik auf der Reise nach Spanischamerika etwas zustoßen, so ist auf Esperanzas Gedächtnis ebenso Verlass wie auf ihren Verstand. Sie hat geschworen, dass sie das Evangelium auswendig lernen und erneut aufschreiben wird, wenn es nötig würde.
    Selbst jetzt noch, während wir die Ankunft der Inquisitoren erwarten, betet die Äbtissin, das Geschenk von Luz möge die Königin dazu bewegen, uns zu schützen und die Hand der Inquisition aufzuhalten. Doch wir können nicht auf Wunder oder das erlösende Wort der Königin warten. Eine Beata ist gerade gekommen, sie weinte vor Angst. Reisende sind am Tor, trotz der frühen Morgenstunde. Die Überraschung ist eine der Waffen der Inquisition.
    Nun ist es an der Zeit, der Chronik Lebewohl zu sagen. Mögen sie und die Medaille unserer Gründerin eine sichere Zuflucht finden und eines Tages, so Gott will, zu diesem heiligen Ort zurückkehren. Mögen jene, die dies lesen, für die beten, die unsere Schätze ins Exil und in Sicherheit bringen, für die, die zurückbleiben, für die, die vielleicht in der Zukunft wiederkehren, und für die Seele der Schreiberin Sor Beatriz.
    Friede sei mit Euch und Gottes Gnade und Segen.
    Deo gratias. Gott ist groß.

KAPITEL 1
    Pa]i fi kküste Südamerikas, Frühjahr 1983
    Die ersten Anzeichen traten im Dezember auf. Zu Navidad spülte das warme Meer tote Fische in die Netze der Fischer. Verängstigte Frauen drängten sich in die Kirchen. Sie zündeten Kerzen an und beschworen Gott, die Jungfrau und alle Heiligen, El Niño aufzuhalten. Die Bauern klammerten sich an ihren Aberglauben, das kapriziöse atmosphärische Wetterphänomen ließe sich dadurch besänftigen, dass man es nach dem Christuskind benennt. Diesmal kam El Niño jedoch als der Teufel daher, El Diablo. Zur Mittagszeit nahm der Himmel eine seltsame Farbe an. Die Leute blickten besorgt nach oben, bekreuzigten sich und beteten leise. Mitten am Tag senkte sich Finsternis über alles, der Wind frischte auf und heftiger Regen setzte ein. Der Himmel schien tiefer und tiefer auf die Erde zu sinken, der Wind wurde stärker und die Menschen flehten ältere, dunklere Götter an, bis sie das Beten ganz aufgaben, voller Angst nach ihren Kindern riefen und hastig Schutz suchten.
    Der Orkan, der schlimmste im Verlauf von hundert Jahren, wurde später als Mano del Diablo bekannt, die Hand des Teufels. Er schlug mit grausamer Wucht zu. Mit fürchterlichem Kreischen machte sich der Wind an Fensterläden zu schaffen, ließ sie gegen die Wände krachen, riss sie schließlich aus den Angeln und schleuderte sie ebenso durch die Luft wie alles andere, das er zu packen bekam – Türen, Dächer, Bäume, Fahrräder, Autos und Lastwagen hob er hoch und zerschmetterte sie, als sei es Kinderspielzeug. Der Regen prasselte wie ein Kugelhagel herunter, er war so hart, dass er Hühner, Ziegen und Babys tötete. Bauern, die
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