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Das Wunder von Treviso

Das Wunder von Treviso

Titel: Das Wunder von Treviso
Autoren: Susanne Falk
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finanziellen Schwierigkeiten, denn eigentlich hätte die Pfarrei mit dem Pensionsantritt Don Antonios in eine teilbesetzte Stellung übergehen sollen, das heißt, drei Gemeinden hätten sich einen einzigen Pfarrer geteilt, der im Turnus die Gottesdienste abhielt. Doch Don Antonio dachte nun einmal nicht daran abzutreten, und so war für die Altargestaltung schon seit Jahren kein Geld mehr da, und derBlumenschmuck musste von den Familienangehörigen selbst bezahlt werden. Der Bürgermeister aber galt als einer der geizigsten Menschen im Umkreis von hundert Kilometern und würde ganz sicher versuchen, sich vor den Kosten zu drücken. Don Antonio gab den Unwissenden.
    «Was ist mit der Dekoration?»
    «Nun, Pater, ich erwarte mir etwas mit viel   … Flair!», sagte der Bürgermeister.
    Über das Wort hat er sich sicherlich eine halbe Stunde den Kopf zerbrochen, dachte Don Antonio. «Hm.»
    «Sehen Sie? Wir verstehen uns! Wusste ich’s doch gleich, dass Sie Ihre Nichte nicht im Stich lassen. Ich danke Ihnen, Pater. Ciao.»
    «Ciao   …», sagte auch Don Antonio und fügte in Gedanken «Du geiziger Hurensohn» hinzu. Und weil er ein braver Mann war, betete er drei Vaterunser für seine fehlende Nächstenliebe.

5
    Eine Viertelstunde nachdem Luigi, der Friseur, seinen Laden geöffnet hatte, war es bereits so heiß, dass ihm der Schweiß von der Stirn rann. Sein ohnehin nicht mehr ganz sauberer Kittel in hellem Grauton färbte sich mit dunklen Schweißflecken unter den Achseln. Er war einfach zu alt für diese Arbeit. Und zu alt für dieses Wetter.Nach langem Überlegen fasste Luigi einen Entschluss: Er würde den Laden heute nicht öffnen. Also machte er sich auf die Suche nach einem Stück Papier und einem Stift und schrieb dann in großen, roten Blockbuchstaben: HEUTE WEGEN HITZE GESCHLOSSEN. Es würde ohnehin kaum jemand kommen.
    Luigi legte den Kittel ab, zog sein blaues kariertes Hemd über, ließ das fahrbare Waschbecken mitsamt den daran baumelnden Kitteln und Scheren einfach mitten im Raum stehen, marschierte hinaus und schloss den Laden zu. Er würde sich besser gleich an einen kühlen Ort begeben, wo man ein bisschen über das Wetter plaudern konnte. Massimos Bar hatte eine Klimaanlage. Ja, das würde er tun: Er würde sich dort ein schönes kühles Glas Limonade gönnen.
    Kaum hatte er sich auf den Weg gemacht, begann er sich etwas besser zu fühlen. Die Aussicht auf ein Gespräch mit Massimo und den anderen Männern hellte seine Stimmung auf. Sicher, er unterhielt sich auch mit seinen Kundinnen viel und manchmal auch sehr gern, nur drehten sich die Gespräche dann in der Regel um Themen wie: Was machen die Kinder, wie geht es der Nachbarin, dem Hund, der Katze, dem Vogel, den Krampfadern usw. Seine männlichen Kunden ließen sich binnen fünf Minuten den Nacken ausrasieren, stürzten einen Kaffee hinunter und schimpften über Fußball, um dann seinen Laden wieder fluchtartig zu verlassen. Und bei den Dorfkindern drehte sich nahezu alles um Superhelden und singende Teenagerstars.Alles in allem waren es schöne Gespräche, aber sie verliefen doch meist sehr einseitig. Die anderen erzählten, er hörte zu. Heute war ganz einfach der Punkt erreicht, an dem ihn jede weitere Diskussion über Krampfadern und Superhelden aus der Fassung bringen würde.
    Luigi bog um die Ecke von Vitos Supermercato, als er plötzlich in eine wilde Schießerei geriet. Er wurde am Arm und an der Brust getroffen. Ein Feuerwerk an Melonenkernen war von der angrenzenden Mauer zum Supermarkt auf ihn herabgeprasselt, und als er nach oben blickte, gewahrte er drei sieben- bis achtjährige Jungen und eine halbe Wassermelone.
    «Scusa!», riefen die Kinder ihm zu. «Wir entern gerade die Black Perl.» Sie deuteten auf einen großen Stein, der an der gegenüberliegenden Straßenseite lag.
    «Aha   …», sagte Luigi und war bereits im Begriff, den Kindern bessere Manieren an den Hals zu wünschen, als es ihn überkam und er sie fragte: «Und, wie steht es?»
    «Nicht so gut», sagte der Junge, der in der Mitte saß, «uns geht bald die Munition aus. Und Luca spuckt immer daneben.»
    «Kommt runter, ich zeig euch, wie ihr eure Trefferquote erhöht.»
    Wenig später betrat Luigi die örtliche Trattoria mit dem leichtfüßigen Gang eines Piraten, der gerade erfolgreich Beute gemacht hatte.

6
    Don Antonio saß im Pfarrhaus in seinem Sessel und dachte angestrengt nach. Er wunderte sich, wieso sein Kopf nicht schon rauchte, so angestrengt dachte
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