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Das Wunder von Treviso

Das Wunder von Treviso

Titel: Das Wunder von Treviso
Autoren: Susanne Falk
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sich Vito und seine Frau zwischen Käsetheke und Süßwaren, strengte der Bürgermeister Mario Fratelli bauliche Projekte an, welche die Gemeinde viel Geld kosteten und wenig zur Verschönerung des Ortes beitrugen, darunter ein zweispuriger Kreisverkehr am Ortsausgang auf der Straße nach Castello della Libertà. Immer noch konnte man in der schlechten Enoteca Wein und andere Spirituosen käuflich erwerben, wenn man das denn wollte, und den Salon von Luigi übernahm im Oktober ein junger Unternehmer aus Vicenza, nachdem Luigi sich nun doch entschlossen hatte, sein Geschäft zu verkaufen.
    In Massimos Trattoria war der normale Alltag zurückgekehrt. Man traf einander und blieb doch unter sich. Vorbei war die Zeit der Pilger und christlichen Jugendgruppen, die Treviso für eine kurze Weile übervölkert und den Schlaf geraubt hatten. Viel Spott hatte man über sich ergehen lassen müssen, vor allem das italienische Fernsehen hatte kein gutes Haar an dem kleinen Dorf gelassen, und Bürgermeister Mario machte sich bis zum heutigen Tag Vorwürfe, dass er sich von Longhi zu diesem Prozess hatte provozieren lassen.
    «Massimo, bring mir noch ein Achtel vom selben!», rief er dem Wirt am Tresen zu.
    «Kommt sofort, alter Freund», antwortete Massimound schüttelte den Kopf über das Ergebnis des Boxkampfs, der im Hintergrund lief. «Ich versteh das nicht. Guck dir die Linke an. Der hätte doch gewinnen müssen!»
    Vito, der Ladenbesitzer, der mit einem Espresso an der Bar stand, kommentierte dies mit einem gemurmelten: «Wir hätten auch gewinnen müssen. Und? Versteht das etwa einer?»
    Massimo ließ die Luft laut durch seine Zähne entweichen und machte sich daran, eine weitere Weinflasche für den Bürgermeister zu öffnen.
    «Willst du nicht auch etwas essen?», rief er ihm zu.
    «Was gibt es denn?», fragte der zurück, wohl wissend, dass es in der Trattoria seit Generationen zu Mittag nichts anderes gab als Pasta al pomodoro.
    «Pasta al limòn!», antwortete Massimo und wechselte den Kanal.

25
    «Hast du die Fahrkarten eingesteckt?»
    «Ja, habe ich.»
    «Und die Hotelbuchung? Was ist mit der Hotelbuchung?»
    «Ja, die habe ich auch dabei.»
    «Und unsere Pässe?»
    «Luigi, wann bist du das letzte Mal verreist?»
    «Ich weiß nicht genau   … 1988?»
    «Das erklärt so einiges», antwortete Maria. Nicht, dass Maria nicht ebenfalls sehr aufgeregt war, aber was sollte denn jetzt, da die Trauungszeremonie hinter ihnen lag, noch passieren?
    «Hast du ein Bonbon dabei?», fragte Luigi.
    «Ich muss nachsehen   …» Sie wühlte in ihrer Handtasche. «Nein, nur Kaugummis. Möchtest du einen?» Luigi schüttelte den Kopf, und Maria drehte sich zu Don Antonio um, der sie bis Palermo begleiten würde. «Willst du vielleicht   …?»
    Don Antonio blickte zu seiner Schwester auf, nickte und nahm sich einen.
    Ihr Zug fuhr ein, und Luigi griff beherzt zu den Koffern, froh, endlich eine sinnvolle Aufgabe gefunden zu haben, die sein Reisefieber kaschierte.
    «Antonio, der Zug ist da. Kommst du?»
    Don Antonio erhob sich von seiner Sitzbank und folgte wortlos seiner Schwester und seinem Schwager. Auf dem Bahnhof von Vicenza war einiges los, und es fehlte nicht viel, und ein junger Mann mit einem Tramperrucksack wäre in sie hineingerannt.
    «Passen Sie doch   … Giorgio! Was machst du denn hier?» Luigi blickte in das festentschlossene Gesicht von Bürgermeister Mario Fratellis Neffen.
    «Ich fahre nach Finnland.»
    «Mit dem Zug? Dauert das nicht viel zu lange?»
    «Bis Mailand, dann weiter mit dem Flieger nach Tampere und dann wieder mit dem Zug bis Nokia.»
    «Was willst du denn in Nokia?», fragte Luigi verwundert.
    «Ich habe dort etwas zu erledigen», antwortete Giorgio, nickte den dreien noch einmal kurz zu und eilte weiter zu seinem Zug.
    Im Abteil war es stickig, Luigi öffnete das Fenster, dann setzte er sich Maria gegenüber und betrachtete stolz seine Frau in ihrem weißen Reisekostüm.
    «Wann sind wir da?», fragte Don Antonio.
    «Guter, ich glaube, es ist am besten, du schläfst erst einmal ein paar Stunden», sagte Maria.
    «Wie soll ich denn bei der Hitze schlafen? Dieser Anzug ist einfach zu heiß!» Don Antonio schwitzte heftig in seinem schwarzen Ornat, und für einen kurzen Augenblick wünschte er sich, er wäre tot. Dann fiel ihm wieder ein, dass er erst kürzlich davor gestanden hatte, das Zeitliche zu segnen, und so bevorzugte er es, sich überhitzt, aber lebendig der Trenitalia zu überantworten, und
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