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Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)

Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)

Titel: Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)
Autoren: Sarah Addison Allen
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jetzt loderte etwas Heißes in ihr auf, wenn sie sich begegneten. Georgie konnte nicht sagen, warum das so war. Sie fühlte sich in letzter Zeit sehr einsam hier oben auf dem Jackson Hill. Ihre Freundinnen hörten auf, sie zu besuchen, und ließen sie auf den Partys links liegen. Deshalb verbrachte Georgie nun viel Zeit in ihrem Zimmer und besserte Kleider aus, damit sie sie ein weiteres Jahr tragen konnte. Manchmal stellte sie auch die Puppen in den Regalen um, kämmte ihnen die Haare, bügelte ihre Schürzen und träumte von dem Tag, an dem all diese Veränderungen vorbei sein würden und sie alle wieder normal waren.
    In jener Nacht, als sie zitternd in ihrem Bett saß, stieg ihr der Geruch von Rauch und Pfirsichen in die Nase. An den Pfirsichgeruch war sie gewöhnt. Tucker verströmte ihn ständig. Wo Tucker sich befand, war auch dieser Geruch. Deshalb plagten ihn auch die Vögel so, behauptete er. Weil sie seinen Geruch mochten. Georgie widersprach ihm nicht, doch insgeheim dachte sie, dass die um ihn herumflatternden Vögel eher erbost als verzückt wirkten.
    Sie sah sich in dem dunklen Zimmer um. Plötzlich entdeckte sie ein kleines orangefarbenes Licht an der Tür – das brennende Ende einer Zigarette. Jemand stand neben ihrer geschlossenen Tür. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Es fühlte sich an, als würde von innen eine Faust auf sie einschlagen.
    Tucker trat aus dem Dunkel. Als er an seiner Zigarette zog, leuchtete sein Gesicht kurz auf. Dann warf er die Zigarette auf den Boden und trat sie aus. Sogleich war wieder alles dunkel.
    Als er zu ihr kam, begriff sie nicht, was mit ihr geschah. Als er endlich ging, blieb sie den Rest der Nacht starr in ihrem Bett liegen. Sie hatte Angst davor aufzustehen. Am Morgen hörte sie, wie er aus seinem Raum unter dem Dach an ihrem Zimmer vorbeikam. Er blieb kurz davor stehen, dann ging er weiter. Erst als es im Haus ganz still war, stand sie auf und wusch sich. Dann stellte sie einen Stuhl unter die Türklinke und ließ keinen herein, bis ihr Vater sie zum Abendessen rief. Eine Woche verging, dann eine zweite, und Tucker vergriff sich nicht mehr an ihr. Sie dachte schon, dass es vorüber sei. Sie fing an, sich davon zu erholen. Ihre Welt war zwar nicht mehr dieselbe, aber sie wusste, dass sie es überstehen würde.
    Doch dann kam er wieder.
    So ging es den ganzen Sommer. Niemand hörte ihr zu, egal, wie oft sie versuchte, Hilfe zu bekommen. Er brachte die anderen dazu, nicht auf sie zu achten. Für Georgie war kein Ende abzusehen. Es würde ewig so weitergehen, wenn sie es nicht beendete. Aber so mutig war sie nicht. Sie war nie besonders mutig gewesen.
    Bis zu dem Tag, an dem sie feststellte, dass sie schwanger war.
    An diesem Tag holte sie die Bratpfanne aus der Küche und nahm sie mit auf ihr Zimmer. Und als es dunkel wurde, stand sie hinter der Tür und wartete. Der Schlag mit der Pfanne verursachte ein merkwürdig gedämpftes Geräusch. Es klang, als ob im Nebenraum etwas heruntergefallen wäre. Danach blieb sie stocksteif stehen, so, als würde sie darauf warten, dass wieder alles so werden würde wie früher. Dann begann sie zu zittern. Nichts änderte sich. Sie war noch immer schwanger. Und sie hatte Tucker soeben verletzt, ihn vielleicht sogar getötet. Ihr Vater würde es nie verstehen. Niemand würde es verstehen, bis auf …
    »Zeig ihn mir«, sagte Agatha, nachdem Georgie im Morgennebel den Hügel hinuntergestolpert war und mit Erde und Kratzern übersät im Hickory Cottage ankam. Sie kannte den Weg ins Haus über die Hintertreppe. Diesen Weg hatten sie oft benutzt, wenn sie an Agathas Eltern vorbeigeschlichen waren. Sie hatte Agatha aufgeweckt und sie angefleht, ihr zuzuhören und zu helfen. Agatha vertraute sie wie niemandem sonst auf dieser Welt. Das, was in diesem Sommer passiert war, konnte eine lebenslange Freundschaft nicht einfach ausgelöscht haben. Zumindest hoffte Georgie das inständig. Sie hatte bereits viel zu viel verloren.
    Agatha war seltsam ruhig, als sie mit Georgie den Hügel zum Madam hinaufeilte. Tucker lag genau an der Stelle, an der sie ihn zurückgelassen hatte, auf dem Fußboden in ihrem Schlafzimmer. Die Bratpfanne lag auf seiner Brust wie ein Gewicht, das ihn daran hinderte, sich davonzumachen. Agatha kniete sich neben ihn und murmelte etwas, was Georgie nicht verstand. Sie legte eine Hand auf seinen Kopf, dann zuckte sie zurück, als hätte sie sich verbrannt. Schließlich stand sie auf und meinte: »Wir müssen rasch
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