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Das wird mein Jahr

Das wird mein Jahr

Titel: Das wird mein Jahr
Autoren: Sascha Lange
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vibrierten zu den Bässen von AC/DC oder irgendso einer Metal-Mucke. »Spürt ihr den Subwoofer? Das ist Power! Habt ihr schon mal so was Geiles gehört? Na? Was sagt ihr nun? Hä? Super, oder?« Er schrie uns an, um die Musik zu übertönen. Wir nickten beeindruckt. Danach startete er den Wagen und fuhr mit uns durch den Ort. Der Mercedes hatte eine elegante Federung, und Andis Warti kam mir im Vergleich vor wie ein Traktor. Später setzte er uns vor unserem Zeltplatz ab.
    Jens hatte ein Zimmer in einem Hotel direkt in Siófok, und so trafen wir uns mit ihm auch an den nächsten Abenden, um zusammen von seinem Geld essen zu gehen und zu später Stunde ins Space, welches eigens dafür errichtet worden war, den Urlaubern die Kohle aus der Tasche zu ziehen. Doch nur für die West-Touristen war der Laden durch den günstigen Umtauschkurs bezahlbar. Jens lud uns und noch einige uns unbekannte Mädels, die er wohl aus dem Hotel kannte, zu exotischen Mixgetränken ein. Immer wieder winkte er den Kellner heran, um sich von ihm Feuer für seine Marlboros geben zu lassen.
    Weil über der Bar Schwarzlichtröhren hingen, sah man bei einigen Mädels, wo sie im Gesicht ihre Pickelcreme aufgetragen hatten. Ungarisch hörte man hier kaum, die meisten sprachen Deutsch mit österreichischem Akzent, aber auch aus Westdeutschland schienen viele Leute hier zu sein.Die West-Kiddies trugen meist pastellfarbene Lacoste-Polohemden und komische braune Slipper. Am zweiten Abend waren einige Depeche-Mode-Fans aus Dresden da, die mich gleich wegen irgendwelchen speziellen Maxi-Singles anquatschten. Um die riesige kreisförmige Tanzfläche waren Tische und Sitzgruppen platziert, doch wir saßen meist an der Bar. Die Musik war der übliche West-Hitparaden-Kram, Milli Vanilli und so was, aber es passte gut zu unserer Urlaubsstimmung. Einige betrunkene Österreicher forderten hin und wieder lautstark, dass ihr Falco gespielt werden sollte. Na ja, sie hatten ja sonst keinen Popstar.
    Wir tanzten und tranken viel, und am dritten Abend floss irgendwann endlich die richtige Menge Alkohol durch mein Blut, um Anke bei einem langsamen Lied zum Tanzen aufzufordern, und sie lehnte überraschenderweise nicht ab. Ich glaube, es lief irgendeine Schnulze von Phil Collins, aber das war mir in dem Augenblick völlig egal. Ich nahm ihre Hand, zog sie sacht, aber bestimmt, in die Mitte der Tanzfläche zwischen all die anderen Pärchen und legte meine Arme um ihre Hüften, während sie ihre um meinen Hals schlang. Ihr Gesicht lag auf meiner Schulter, und ich konnte ihren Atem spüren. Die ersten Minuten genoss ich es, ihren Körper endlich einmal so nah zu fühlen, doch dann überlegte ich, ob sie, so eng an mich geschmiegt, meine zunehmende Erektion spüren konnte und ob das vielleicht aufdringlich sei. Doch da war das Lied schon zu Ende.
    Sie löste sich aus unserer Umarmung, und wir gingen zurück zu den anderen an die Bar. Jens laberte dort einige Kaltwellen-Mädels mit Autohändler-Geschichten zu. Danebenstanden Andi und Katrin und knutschten wild miteinander rum.
    Am nächsten Abend saß ich mit Andi am Wasser auf einer Bank. Katrin und Anke waren von ihrem Einkaufsbummel zurück und in den Waschräumen. Andi hatte zuvor ein kurzes Treffen mit seinem Bruder gehabt und von ihm einen Sixpack West-Dosenbier geschenkt bekommen. Die leerten wir jetzt. Mit den Handflächen trommelte Andi dabei auf seinen Oberschenkeln, wie das Schlagzeuger manchmal machen und wirkte auffallend nachdenklich.
    Nach einer Weile prüfte Andi, ob noch jemand in Hörweite war und sagte dann ganz ernst zu mir: »Du, Friedemann, was hältst du davon, hier über die Grenze abzuhauen?«
    Ich erschrak über diese Frage, auch wenn wir in den letzten Tagen manchmal dieses Thema am Rande gestreift hatten, nicht zuletzt nach unserer Lektüre des Spiegel-Magazins. Wir wussten, dass die Ungarn seit einigen Tagen begonnen hatten, ihre Grenze zu Österreich abzuspecken und es zum ersten Mal realistische Chancen gab, lebend rüberzukommen.
    Da ich ihn nur sprachlos anschaute, fuhr Andi fort: »Mein Bruder hat alles vorbereitet und kennt einen Weg über die grüne Grenze, das wird ganz easy. Mensch, Friedemann, so ’ne Gelegenheit kommt nie wieder!«
    »Tja, ich weiß nicht. Ist alles etwas plötzlich. Ist das nicht gefährlich? Und was wird mit den Mädels? Wie sollen die denn wieder zurück? Und überhaupt, dein Auto? Und was ist mit unserer Band?«, stammelte ich verwirrt. Ich fühltemich wie vor
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