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Das wird mein Jahr

Das wird mein Jahr

Titel: Das wird mein Jahr
Autoren: Sascha Lange
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bislang nur aus dem Tropenhaus im Zoo. Die Sonne schien hier viel heißer. Es fühlte sich an, als würde man direkt vor einem offenen Backofen sitzen. Aber es war nicht unangenehm. So musste es wohl in Italien sein. Dabei erinnerte hier nicht wirklich viel an Italien, aber das konnten wir damals noch nicht wissen. Andis Bruder hatte mal eine Postkarte vom Gardasee geschickt. Da war auch so eine Palme drauf gewesen. Nur größer. Viel größer.
    Keine zehn Minuten später hatten wir für unsere Zelte das letzte freie Stück schattige Wiese unter den Bäumen erwischt. Anke kam aus der Rezeption und erzählte grinsend,dass sie von dem jungen Typen bei der Anmeldung aufgrund ihrer Haarfarbe zuerst für eine Westdeutsche gehalten worden war und wir deshalb noch einen guten Platz bekommen hatten. »Tja, und als er dann meinen Ost-Reisepass sah, hat er doof geguckt, aber er konnte keinen Rückzieher mehr machen.«
    Der Warti musste draußen auf dem Parkplatz stehen bleiben, dafür bekamen wir einen Handwagen, um unser Gepäck zu transportieren. Andi zeigte überhaupt keine Anzeichen von Müdigkeit. Obgleich er die ganze Nacht durchgefahren war, packte er sofort den Handwagen voll und grinste mich an: »Mensch, Friedemann, mach mal am Kiosk ’n Westbier klar.«
    Die Zelte kriegten wir schnell aufgebaut, aber bis wir alle Taschen, Luftmatratzen und die Lebensmittel verstaut hatten, vergingen noch mal fast anderthalb Stunden. Schließlich ließen wir uns erschöpft in die Campingstühle fallen und stießen mit dem mittlerweile nicht mehr ganz so kühlen Bier an.
    »Dieses Jahr am Balaton«, prostete Andi mir zu und trank seine Flasche in einem Zug aus.
    Die Mädels verschwanden in ihrem Zelt und krochen wenig später in Bikinis wieder raus. Dieser Anblick war mir nicht neu, wir waren in der Clique schon einige Male am Kulkwitzer See gewesen. Trotzdem wusste ich nicht so recht, wo ich hinschauen sollte, um nicht gleich wie ein Spanner zu wirken. Katrin ging noch mal ins Zelt, um irgendwas zu suchen.
    »Kannst du mir den Rücken eincremen?«, fragte mich Anke, und ich sprang auf, um ihr zu helfen. Sie drückte mir eine Tube in die Hand und drehte mir ihren Rücken zu. DerDuft der Creme vermischte sich mit dem ihrer Haut, und mich überkam der Wunsch, ihren Hals zu küssen.
    »Soll ich dir auch noch was anderes eincremen?«, fragte ich etwas keck, um meine Unsicherheit zu überspielen.
    »Vergiss es!« Anke drehte sich um und grinste mich an.
    In dem Moment kam Katrin wieder, und die beiden rannten den Schotterweg runter zum Wasser. »Bis dann, Jungs!«, riefen sie uns lachend zu.
    Ich stand mit sonnencremeverschmierten Händen auf der Wiese und nahm mir vor, in diesem Urlaub Anke anzubaggern. Sollte Andi doch Katrin nehmen, die war ja auch ganz süß, sagte ich mir und ging duschen. So kalt es nur ging.
    Die ersten beiden Tage auf dem Campingplatz verbrachten wir vier mit pennen, faulenzen und baden. In der Ecke des Zeltplatzes, wo wir unser Lager aufgeschlagen hatten, waren nur Zonis, meistens Familien. Direkt vorn am Ufer standen die Wohnwagen der ungarischen Dauercamper und die westdeutschen und österreichischen Wohnmobile, teilweise richtig große Kisten. Besonders angetan hatte es mir ein grasgrüner VW-Bus mit schräg aufgeklapptem Dach. Da oben drin konnte man schlafen. Von unserem Liegeplatz am Strand glotzte ich stundenlang den Bus an und überlegte, ob man bei uns einen Barkas auch so umbauen könnte, denn die hatten ungefähr die gleiche Größe. Aber woher einen bezahlbaren Barkas bekommen, es gab ja nicht mal unbezahlbare auf dem Gebrauchtmarkt. Und neue gab es überhaupt nicht. Zumindest nicht für junge Hüpfer wie mich. Na ja, Geld hätte ich eh nicht dafür gehabt.
    Immer wieder lief ich an dem Bus vorbei. Davor saß ein Ehepaar auf Campingstühlen. Sie hatten etwa das Alter meiner Eltern. Hinter den Fenstern hingen hellbraune Gardinen. Im Inneren waren kleine Schränke eingebaut und sogar ein Gasherd und ein Spülbecken mit Wasserhahn. Alles wirkte sehr gemütlich. Da musste man nicht ständig irgendwas hin- und herräumen, und man konnte sogar auf einer richtigen Matratze schlafen. So ein Bus schien perfekt fürs Verreisen. Fehlte nur noch die dazugehörige Staatsbürgerschaft – mit der konnte man in alle Länder, nicht nur in den Ost-Block.
    Ohne es zu merken, war ich stehen geblieben. Der ältere Mann bemerkte meine Blicke und nickte mir grüßend zu.
    »Sind Sie auch ein T3-Wohnmobil-Freund?« fragte
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