Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das wird mein Jahr

Das wird mein Jahr

Titel: Das wird mein Jahr
Autoren: Sascha Lange
Vom Netzwerk:
nach langem Zögern angerufen habe. Aber du warst nicht da. Ich dachte, dass du das wirklich als Abschied gemeint hattest. Ich habe dann alle Sachen bei Michael wieder eingepackt und bin zu meiner Cousine nach West-Berlin gezogen. Ich wollte einfach alles hinter mir lassen. Dich eigentlich auch.«
    Wow. Das war … Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Ich schaute ihr nur in die Augen und hatte das unglaublich starke Bedürfnis, sie zu umarmen. Doch ich hatte keine Ahnung, ob sie das jetzt wollte.
    Anke fröstelte. »Ist dir kalt?«, fragte ich und sie nickte. »Ich würde dich ja gerne zu mir nach Hause auf einen heißen Kaffee einladen, aber dort wo ich gerade wohne, teile ich mir ein Zimmer mit zwei Freunden aus Stuttgart, und die ganze Wohnung ist voller besoffener und bekiffter Schwaben, die Silvester feiern. Wie sieht es denn in deiner Bude aus?«
    Anke schaute mich skeptisch an, um in meinem Gesicht zu lesen, wie ich das gemeint haben könnte. »Die ist nicht so übervölkert«, sagte sie schließlich. »Meine Cousine ist verreist. Ist aber auch ein ganzes Stück weg von hier, und die U-Bahn fährt jetzt nicht mehr, glaub ich.«
    »Dann lass uns einfach loslaufen. Dieses Jahr kommen wir bestimmt noch an.«
    Wir gingen schweigend unter den Gleisen der Hochbahn. Wer von uns beiden zuerst die Hand es anderen genommen hatte, wusste ich schon nicht mehr. Aber es fühlte sich großartig an, trotz der Handschuhe.
    »Hast du eigentlich noch irgendwas aus deinem früherenLeben hierher mitgenommen?«, fragte mich Anke nach einer Weile.
    »Nur deinen Kassettenrekorder und deine Platten«, antwortete ich trocken.
    Anke schaute mich fassungslos an und musste aber sofort lachen. »Ich fass es nicht! Du altes Klauschwein!« Sie blieb stehen und schmiss mit Schnee nach mir. Dann umarmten wir uns.
    »Und nach dieser Beichte – was sind denn deine anderen guten Vorsätze fürs neue Jahr?«, fragte sie mich, und ich grinste sie an, wie ein Kind, das Geburtstagsgeschenke auspackte.
    »Ich will Popstar werden. Und bis alles soweit ist, werde ich mein Abi nachholen. Da gibt es so eine Schule für Erwachsenenbildung bei dir in 61, im Mehringhof. Hat mir Noel empfohlen, ein Freund von mir. Und danach könnte ich vielleicht studieren, Gartenbau zum Beispiel, das gibt es hier an der Humboldt-Uni. Anschließend schreibe ich eine Doktorarbeit zu irgendeinem total abgedrehten Thema, so was wie ›Schnittrosen in der Nacherntezeit‹ und ›Warum manchmal die Blütenstengel abknicken‹. Oder über Hanfanbau. Und dann müssen mich alle mit ›Herr Doktor Blumenstrauß‹ anreden.«
    Anke hielt mir im Scherz die Hand auf den Mund. »Was laberst du denn für eine Grütze? Hast du gekifft?«
    »Das ist mein voller Ernst. Und alle Drogenbosse werden mich abends auf meinem schicken C-Netz-Mobiltelefon anrufen: ›Herr Doktor, meiner Hanfzucht geht es gar nicht gut. Könnten Sie mal vorbeikommen und sich das anschauen?‹ – ›Mal sehen, wann ich einen Termin frei habe.Wird aber nicht billig.‹ – ›Geld spielt keine Rolle, Herr Doktor‹.«
    »Das klingt total verrückt.« Anke schaute mich mit skeptischem Blick an, musste aber gleich darauf lachen.
    Ich nahm sie wieder in die Arme und flüsterte ihr ins Ohr: »Genau, total verrückt. Aber schon deswegen würde sich das doch lohnen, oder?«
    Langsam gingen wir weiter. »Ich glaube, 1991 wird mein Jahr«, sagte ich halb zu mir selbst.

Die Handlung sowie die darin vorkommenden Personen sind sämtlich frei erfunden, einige angesprochene historische Ereignisse haben hingegen tatsächlich stattgefunden.
    Dieses Buch entstand zwischen 2008 und 2010 zu Hause in Leipzig, an der Ostsee, auf einem Zeltplatz in Stuttgart, in einem Hotelzimmer in München und auf langen Zugfahrten mit kleineren Verspätungen. Maßgeblich unterstützt wurde das Schreiben durch die Musik von Death Cab For Cutie – »Transatlanticism«, Foals – »Total Life for Ever«, Kings Of Convenience – »Declaration of Dependence«, Talk Talk – »The Colour of Spring« und Friedemanns Mixtape für Anke, das aus irgendeinem Grund vor ein paar Jahren bei mir landete.

Informationen zum Buch
    Friedemann wohnt in einem Neubaugebiet am Rande von Leipzig und spielt in einer Band, zusammen mit seinem besten Kumpel Andi und den Cliquenschönheiten Anke und Katrin. Im Spätsommer 1989 fahren sie an den Balaton, und die Sache mit Anke läuft auch ganz gut an. Alles scheint perfekt. Doch dann fliehen Andi und Katrin in den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher