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Das Weltgeheimnis (German Edition)

Das Weltgeheimnis (German Edition)

Titel: Das Weltgeheimnis (German Edition)
Autoren: Thomas de Padova
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hat sein Gesichtsfeld verengt. Galilei kann damit weiter schauen als jeder andere, sieht aber vor allem das Nächstliegende: den militärischen Nutzen und die ökonomische Verwertbarkeit des Fernrohrs, das er bereits in großer Stückzahl zu produzieren begonnen hat. »Seinen Vorsprung«, so der Wissenschaftshistoriker Matteo Valleriani, »hat er sich nur erarbeitet, weil er an den militärischen Erfolg des Geräts glaubte.«
    Es geht ihm in dieser Hinsicht ähnlich wie Kolumbus, der 1492 auf dem Westweg nach Indien gelangen möchte, stattdessen aber einen neuen Kontinent entdeckt, oder wie Luther, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts für die Gewissensfreiheit eintritt, letztlich aber die Kirche spaltet. Genauso wenig denkt Galilei zunächst daran, dass erst der wissenschaftliche Gebrauch des Fernrohrs der jungen Erfindung ihre herausragende Bedeutung geben wird.
    Wann er das Instrument erstmals in den Himmel richtet, ist nicht bekannt, ob zunächst beiläufig, während er neue Linsen testet, oder aus einer abendlichen Laune heraus im Kreis seiner neugierigen Studenten. Sicher ist nur, dass er irgendwann im Herbst oder Winter 1609 mit einem Fernrohr von nunmehr zwanzigfacher Vergrößerung in den Sternenhimmel schaut.
    Es ist einer jener, um Stefan Zweigs Worte zu benutzen, »explosiven Augenblicke« der Menschheitsgeschichte. Der Himmel über den Dächern Paduas zeigt ein völlig neues Gesicht. Galilei sieht die Milchstraße als ein Band aus bis dahin größtenteils unbekannten Sternen und Nebeln. Es sind unzählbar viele. Er richtet sein Fernrohr bald hierhin, bald dorthin, Nacht für Nacht, entdeckt neue Himmelskörper und beobachtet den Mond, der durch die schmale Öffnung des Fernrohrs nicht nur größer, sondern auch anders erscheint – so wie ihn nie zuvor ein Mensch gesehen hat. Seine Erfolgsmeldungen kommen nun Schlag auf Schlag:
    Schon Ende 1609 beginnt er mit sorgfältigen Zeichnungen der Mondoberfläche. Am 7. Januar 1610 entdeckt er den ersten von vier Jupitermonden und kündigt an, ein Teleskop mit dreißigfacher Vergrößerung sei so gut wie einsatzbereit. Bis einschließlich zum 2. März 1610 beobachtet er die Jupitermonde und dokumentiert ihre Bewegungen um den Planeten, nur zehn Tage später liegt seine Veröffentlichung, der Sternenbote , bereits gedruckt vor! Zu diesem Zeitpunkt hat Galilei nach eigenen Angaben außerdem schon sechzig Fernrohre gebaut beziehungsweise anfertigen lassen.
    Vor allem die außergewöhnlich schnelle Publikation seiner Ergebnisse verdeutlicht, welch starkem Konkurrenzdruck sich Galilei ausgesetzt sieht. Ihn verfolgt dieselbe Angst, die Wissenschaftler heute noch dazu antreibt, die Resultate ihrer Arbeit möglichst schnell in irgendeiner Fachzeitschrift unterzubringen: die Befürchtung, ein anderer könnte ihnen zuvorkommen.
    Mehrfach entschuldigt er sich für die schlechte Qualität der Abbildungen, die erst im letzten Moment eingefügt worden seien, »weil ich die Publikation wahrlich nicht aufschieben wollte, um nicht das Risiko einzugehen, dass jemand anderes auf dasselbe stoßen und mir zuvorkommen würde«. So gewinnt Galilei den vielleicht bedeutendsten Wettlauf zu Beginn der neuzeitlichen Wissenschaft.
    Wie viel bei der sukzessiven Verbesserung und Vervielfältigung des Fernrohrs seiner eigenen praktischen Begabung und wie viel dem Wissen anderer geschuldet ist, lässt sich nur schwer ermessen. Galileis Ausführungen verschleiern dieses Zusammenspiel eher, als es zu erhellen. In seinem Sternenboten macht er weder nähere Angaben zu dem Instrument, das ihm seine Entdeckungen doch erst ermöglicht hat, noch erwähnt er irgendeinen Helfer oder Helfershelfer.
    Zurück im Labor
    Seine Vorgehensweise ist aber beispielhaft für die spätere Physik. Im Unterschied zu Wissenschaftlern vieler anderer Fachbereiche bauen Physiker und Astronomen die meisten ihrer Geräte bis heute selbst. Was dabei quasi als Rohstoff aus Handwerk und Industrie in ihre Forschungslabore wandert, wird – ähnlich wie die Glasrohlinge und geschliffenen Linsen für Galileis Fernrohr – als Baustein in neue Geräte integriert.
    Wer einen Forscher wie Wolfgang Ketterle im Labor besucht, trifft dort auf viele erfahrene Experimentatoren. Seine Mitarbeiter bringen hochgradig spezialisiertes Wissen ein und treiben die Technik zur Perfektion, um sich dem absoluten Temperatur-Nullpunkt bis auf ein halbes Milliardstel Grad zu nähern. Die einen kümmern sich um die Vakuumtechnik, damit möglichst alle
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