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Das Weltgeheimnis (German Edition)

Das Weltgeheimnis (German Edition)

Titel: Das Weltgeheimnis (German Edition)
Autoren: Thomas de Padova
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Objektive heranzukommen. So berichtet sein Freund und Gönner Giovanni Francesco Sagredo im April 1616 aus Venedig, ein Linsenschleifer namens Bacci habe 300 Linsen für ihn hergestellt, von denen dem Handwerker nach eigenen Angaben 22 »ausgezeichnet« gelungen seien. »Unter diesen«, so Sagredo, »habe ich jedoch nicht mehr als drei gefunden, die meinem Urteil nach die Bezeichnung ›gut‹ verdienen, wenn sie auch nicht perfekt sind.« Drei halbwegs gute Linsen unter 300! Es erscheint beinahe wie ein Glücksspiel, ein passendes Objektiv zu finden.
    Galilei spielt dieses Spiel mit hohem Einsatz. Er scheut bei der Beschaffung der Linsen »weder Kosten noch Mühen«. Um geeignete Exemplare aufzutreiben, nimmt er Kontakt zu den besten Handwerkern in Venedig, später auch in Florenz und Neapel auf und macht ihnen konkrete Vorgaben. Objektivlinsen sind plötzlich begehrt. Sie werden so hoch gehandelt, dass Galileis eigene Mutter im Januar 1610 versucht, seinen Diener Alessandro Piersanti zu bestechen, aus dem Labor ihres Sohnes »drei oder vier« dieser Gläser zu entwenden.
    Leider ist nur eine einzige Linse erhalten geblieben, die zweifelsfrei von einem Fernrohr Galileis stammt. Es handelt sich um ein zerbrochenes Objektiv von 5,8 Zentimetern Durchmesser. Mit Methoden der modernen Laseroptik haben Giuseppe Molesini und seine Kollegen aus Florenz die Linse in einem Reinraumlabor auf einer optischen Bank durchleuchtet. Ihre von einem Computer generierten Diagramme zeigen, wie formvollendet die Oberfläche der Linse ist, wie gut sie geschliffen wurde – allerdings nur in dem 3,8 Zentimeter breiten zentralen Sektor. Der Randbereich ist minderwertig, was für Brillen keine Rolle spielte, für Fernrohrbeobachtungen aber sehr wohl.
    Dieses Problem löst Galilei auf praktische Art. Er verwendet für seine Teleskope große Objektivlinsen und blendet ihren Rand mit einem Ring ab. Um ein weites Gesichtsfeld zu bekommen, könne man zwar auf eine solche Blende verzichten, verrät er dem Jesuitenpater und Mathematiker Christopher Clavius aus Rom. Dann jedoch würde man entfernte Objekte nur verschwommen sehen.
    Die Verwendung der Blende gilt als einer von Galileis Schlüsseln zum Erfolg. Der Schweizer Rolf Willach hat jedoch einigen Grund zu der Annahme, dass schon Lipperhey solche Blenden benutzte und dass ausgerechnet dieser kleine Ring dem Fernrohr Anfang des 17. Jahrhunderts zum Durchbruch verhalf. Willach ist durch ganz Europa gereist, um die noch auffindbaren Brillengläser und Linsen der damaligen Zeit zu untersuchen. Bei allen von ihm betrachteten Linsen nehmen die Fabrikationsfehler zum Rand hin zu, was angesichts der Massenproduktion von Brillengläsern nicht weiter verwunderlich ist. Selbst die besten Gläser waren demnach nur bedingt fernrohrtauglich.
    Galilei erkennt die praktische Bedeutung der Blende im Gegensatz zu Clavius und anderen Kollegen schnell. Wieder ist er seinen Konkurrenten einen Schritt voraus. Er testet das Zusammenspiel der Linsen in seinem Labor, stimmt ihre Stärke und Abstände aufeinander ab und lässt sie von seinem Handwerker zu kunstvollen Instrumenten zusammenbauen.
    Welche Rolle sein Wohnort für den Anfangserfolg spielt, lässt sich erahnen, wenn man bedenkt, dass der erste Beobachter, der Galileis teleskopische Entdeckungen im Jahr 1610 bestätigt, ebenfalls aus Venedig kommt: Antonio Santini konstruiert nur zwei Monate, nachdem Galilei seine ersten Fernrohrbeobachtungen veröffentlicht hat, ein Instrument mit der nötigen Vergrößerung ohne jegliche Hilfe des Meisters.
    Aussichten vom Markusplatz
    Am 21. August 1609 finden sich einige Patrizier am Fuß des Glockenturms von Venedig ein. Der Campanile, zwischen Dogenpalast und Markusplatz gelegen, ist das höchste Bauwerk der Stadt und ragt 99 Meter in die Höhe. Seine roten Ziegel streben in vertikalen Linien nach oben, ehe sie in den mit weißem Marmor verkleideten Glockenstuhl übergehen.
    Alle Aufmerksamkeit ist auf das armlange, karmesinrote Rohr gerichtet, das Galilei behutsam trägt. Angeführt von Senator Antonio Priuli schreiten die hochrangigen Vertreter erwartungsvoll die Stufen zum Eingangstor hinauf und verschwinden durch einen schmalen Gang im dunklen Innern des quadratischen Turms. In acht Windungen führt der Weg nach oben, immer an der Wand des Gemäuers entlang, nur ab und zu können die Männer durch einen Lichtschlitz einen kurzen Blick nach draußen werfen. Als sie oben angekommen wieder ins Freie treten, schweben
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