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Das Weisse Kleid Des Todes

Das Weisse Kleid Des Todes

Titel: Das Weisse Kleid Des Todes
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Wie geht’s denn so?«
    »Ganz gut. Die beiden Begräbnisse waren hart. Aber zu wissen, was passiert ist, hat geholfen. Ich hab immer noch nicht mit Wes Fowler geredet. Na ja, wen wundert’s? Aber ich habe Cody gesehen.« Sie lächelte. »Die Burns wollen, dass ich die Patin werde. Cool, was? Im Januar soll hier die Taufe stattfinden.«
    »Echt cool, ja. Freut mich für Sie.« Er sah sich um. Eine Frau wickelte Tannengirlanden um mächtige Kerzenleuchter, und ein älterer Mann zwängte Votivlichter in Halterungen am Fenstersims. »Wo ist denn der Reverend?«
    »Ich hab sie was von Kaffee nuscheln hören. Ich würde in ihrem Büro nachsehen.«
    Der Flur des Pfarrzentrums war düster und still. Russ klopfte an den Rahmen von Clares Tür. »Jemand da?«
    »Russ! Na, wenn das keine Überraschung ist! Falls Sie zum Sieben-Uhr-Gottesdienst kommen, sind Sie ein paar Stunden zu früh dran.« Sie erhob sich aus ihrem kuriosen Admiralssessel. Ihre Kleidung war elegant: schwarze Bluse und langer Rock, wie maßgeschneidert. »Ich hole Ihnen Kaffee.« Sie goss aus ihrer Thermoskanne Kaffee in eine Bechertasse vom Virginia-Seminar. Er war heiß, süß und schmeckte nach Zimt. Russ ließ sein Päckchen auf das schäbige kleine Sofa fallen und legte seinen Parka darüber.
    »Ich hatte vor, Sie anzurufen, als ich Fowlers Beerdigungsanzeige in der Zeitung sah.«
    »Die Ansprache habe nicht ich gehalten. Ich bat Clifton Whiting von St. Ann’s in Saratoga, mich zu vertreten. Ich dachte mir, meine Anwesenheit wäre eher schmerzlich.« Sie sah in ihren Kaffee. »Ich komme einfach nicht über den Gedanken hinweg – wäre ich ein bisschen mehr auf Zack gewesen, dann …«
    »… hätten Sie Fowler vor seinem Ende bewahren können? Jemand hat einmal zu mir gesagt, man kann nicht für jeden die Verantwortung übernehmen. Scheint mir eine ziemlich schlaue Bemerkung.«
    Clare lächelte ihn schief an. »Sie hätten in meiner Nähe sein müssen, um ein gutes Wort für mich einzulegen, als der Pfarrgemeinderat mich antreten ließ. Man wollte eine Erklärung von mir. Ich weiß nicht, worüber sie mehr schockiert waren, über mich oder Vaughn Fowler.«
    Russ nahm seine Brille ab und putzte sie. »Falls sie eine Erklärung von mir brauchen, was für eine Hilfe Sie waren –«
    »Nein, nein. Die benötigen einfach Zeit, um ihren Blick auf die Welt zurechtzurücken. Und ich nutze die Verwirrung, um mein Projekt für junge Mütter voranzutreiben. Wobei ich übrigens die Unterstützung der Burns genieße, die mir inzwischen verzeihen, dass ich Geoff seiner Trunkenheit-am-Steuer-Eskapade überführt habe.«
    »Lassen Sie mich die Brille wieder aufsetzen. Jedes Mal, wenn ich mir Geoff als Vater vorstelle, bekomme ich Bauchweh.«
    »Er ist seitdem nicht mehr ganz so bierernst. Er sagt, sie hätten Cody für einen Kurs im Säuglingsschwimmen angemeldet.« Ihre Augen blitzten. »Zumindest versuchte er wohl, witzig zu sein.«
    Russ schnaubte. »Eigentlich bin ich gekommen, um Ihnen das hier als Geschenk zu geben.« Er zog das breite, in Folie geschlagene Päckchen unter seiner Jacke heraus. »Frohe Weihnachten.«
    »Für mich? Aber das ist doch nicht nötig!« Clare riss begierig das Papier auf. »Oh, Russ.« Sie fing zu lachen an. »Vielen Dank. Genau das hat mir noch gefehlt.« Sie hielt die wasserdichten, gefütterten Bergsteigerstiefel hoch. »Woher wussten Sie das?«
    Er lachte ebenfalls. »Gut geraten?« Sie drehte die Schuhe bewundernd hin und her.
    »Die sind einfach himmlisch.« Sie ließ sie in den Karton fallen. »Ich werde diese Stiefel heute nach der Christmette anziehen.«
    »Heiligabend muss für Sie doch zum Verrücktwerden sein. Alles feiert, und Sie schuften sich kaputt.«
    »Genau wie ein Polizist.«
    »Genau wie ein Polizist.«
    »Es fällt mir nicht schwer, jedes Bewusstsein für meinen eigentlichen Sinn und Zweck zu verlieren und mich in diese alte Schreckschraube zu verwandeln, die alles richtig und pünktlich gemacht haben will. Darum verkrieche ich mich ja hier in meinem Büro.«
    »Oh. Ich hatte nicht die Absicht, zu stören.«
    »Aber nein, es freut mich, dass Sie da sind. Wir haben uns zum letzten Mal im Krankenhaus gesehen, als man Sie eilig wegschubste, um Ihre Kehrseite zu verarzten.«
    Der Schimmer des Abendrots ergoss sich in das Zimmer und wurde von den Spiegeln reflektiert. Clares übliche Hochsteckfrisur hatte sich bereits wieder gelöst, sodass ihr Gesicht von pfefferkuchen-und feuerfarbenen Strähnen umgeben
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