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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh
Autoren: Matthias Praxenthaler
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die unumgängliche Basis, aber natürlich kam Billy auch an der Praxis nicht vorbei. Johann hatte sich eine ebenso einfache Methode ausgedacht, mit der er Billy das ganze Geheimnis des Kaufens & Verkaufens vermitteln wollte. Und der hatte schnell begriffen, worauf es ankam. Am Ende war er eben doch ein Diplomkaufmann.
    Das Kaufen brachte Johann Billy an den Wochenenden bei. Kaum war das »Haus der zwei roten Sonnen« am Freitag oder Samstag zugesperrt, setzten sich die beiden ins Auto oder in den Flieger und gingen Einkaufen. Das ganze Wochenende und in allen Städten und Ecken Europas. Ausschließlich auf Flohmärkten und bei der Konkurrenz. Allerdings gingen sie bei ihren Einkäufen getrennte Wege, denn Billy hatte jedesmal einen Sonderauftrag zu erledigen. An jedem Wochenende mußte er etwas kaufen, das sich lohnte. Immer nur ein einziges Teil und das für höchstens hundert Mark (beziehungsweise für 49 Euro, ab dem Moment, alsdieses schreckliche Mißverständnis passierte). Das Geld dafür bekam er von Johann. Was er kaufte, war dabei übrigens völlig egal. Hauptsache etwas, was sich später im »Haus der zwei roten Sonnen« mit Gewinn weiterverkaufen ließ. Das war schließlich der Sinn der Übung.
    Am Montagmorgen war Rapport bei Johann angesagt. Billy mußte das Stück, das er gekauft hatte, dem unbestechlichen Kennerblick seines Meisters präsentieren. Nach eingehender Prüfung nannte Johann einen Einkaufspreis, den er für adäquat erachtete. Und das war das große Spiel. Lag der Einkaufspreis, den Johann nannte, über dem Preis, den Billy auf dem Flohmarkt oder bei einem anderen Trödler oder wo auch immer bezahlt hatte, bekam er die Differenz nämlich ausbezahlt. In bar. Umgekehrt galt die Regel allerdings auch. Nach einem Jahr war Billys Bilanz positiv. Er hatte zwar keinen Rembrandt für einen Euro gekauft, aber sein Riecher und sein zunehmendes Wissen verhalfen ihm zu verrückten 12 500 Mark auf der richtigen Seite. Und das war schon ein Brecher. Es war mehr als sein Jahreseinkommen. Eine Spaßprämie in Höhe von über hundert Prozent als Schokosoße obendrauf. Das schaffte ja nicht mal Panke bei BMW. Oder doch? Egal. Billy war in jedem Fall hochzufrieden. Und Johann ebenfalls. Kaufen konnte sein Azubi.
    Das mit dem Verkaufen lernte er zu seinem eigenen Erstauchen auch. Auch hier hatte Johann eine Methode parat, die Billy das Geheimnis spielend offenbarte. »Bloß nichts verkaufen«, hieß dabei die Devise und diesmal ging das Spiel so: Wenn ein Kunde das »Haus der zwei roten Sonnen« betrat und nach dem Preis eines Gegenstands fragte, sollte sich Billy den Kunden ganz genau anschauen, um anschließend einen völlig unverschämten Preis zu nennen, den der Kunde auf gar keinen Fall bezahlen würde. Und wenn der Kunde dann enttäuscht bis empört den Laden wieder verließ, weil sich Billy bei diesem Spiel auch nicht einen Pfennig runterhandeln lassendurfte, sollte Billy den Kunden schließlich fragen, was er denn bereit gewesen wäre zu zahlen. »In der Niederlage sind die Menschen nun mal ehrlicher, als im Moment des Triumphs«, erklärte Johann den Clou des Ganzen. »Erst, wenn Sie etwas nicht verkaufen, erfahren Sie, was einem Kunden dieses Etwas wirklich wert ist. Nichts verkaufen senkt zu Beginn zwar die Umsätze, steigert später aber den Gewinn. Mit der Zeit werden Sie da ein Gespür entwickeln wie ein Tier. Sie werden bei jedem Kunden den höchstmöglichen Preis spüren. Und darauf kommt es an, nicht wahr, Herr Diplomkaufmann, auf den höchsten Preis. Also lernen Sie, wie man ihn findet. Und dann schlagen Sie zu.«
    »Dankeschön, Chef«, sagte Billy und ließ es sich nicht zweimal sagen.
    Mit großem Erfolg. Bereits nach drei Monaten hatte er den Dreh mit dem Verkaufen raus. Und wie. Seine Omas konnten von Glück sprechen, daß sie schon tot waren, und selbst Johann wurde ganz schwummrig, wenn er Billy mit der Kundschaft umspringen sah. Immer souverän, charmant und sich des Break-even-points bewußt, und mit einem Röntgenblick, der ihm sofort verriet, in welcher Liga er zu feilschen hatte. Und dann brachte er die Kunden zu Fall. Im Verkaufsgespräch. Und sie fielen reihenweise um. Zu Höchstpreisen, versteht sich. Wer beim Kaufen sabbert, zahlt eben mehr.

Angekommen.
    Am 22. Mai 2002 ging Johann mit Billy zum Abendessen. Billys Ausbildungsvertrag lief um Mitternacht aus. Eine Entscheidung mußte her.
    Johann ließ seinen Azubi zappeln. Fünf Gänge lang. Und er amüsierte sich prächtig,
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