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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh
Autoren: Matthias Praxenthaler
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den Preis eines Nachlasses zu verhandeln, der gerade frisch reingekommen war. Meistens bei einem guten Essen, aber immer mit viel Alkohol. »Wer mit Gott Geschäfte macht, muß saufen können wie der Teufel«, sagte Johann dann immer, und Billy ließ sich nicht lumpen. Saufen wie der Teufel konnte er. Da war er ganz bei sich. Da war er ganz der Alte.
    Das Rauchen dagegen hatte er sich im zweiten Monat seiner Ausbildung abgewöhnt. Auf einen Schlag. Er war selbst überrascht, wie einfach das ging. Und vor allem, wie viel besser es ihm dabei ging. Er schmeckte wieder, er roch wieder, er konnte sich besser konzentrieren und als Zuckerl schenkte ihm sein Körper eine Energie, die immens war. Einen Teil davon investierte er übrigens inzwischen, ganz Kaufmann, in Körperfettwerte. Er hatte sich einen neuen Boxsack gekauft und in den Garten gehängt. An den dicken Ast einer hochhaushohen Eiche. Und darunter machte er sich frisch. Gerade, Haken, Jap. Paaaf! Jeden Morgen. Um 6 Uhr 45 in der Früh. Pünktlich. Bei jedem Wetter. Eine halbe Stunde lang. Bevor er in seinen Teich sprang. Statt einer heißen Dusche. Die nahm er dann abends. Wenn er von der Arbeit nach Hause kam. Immer erschöpft, aber topfit und herrlich gelaunt.
    Wenn Johann nicht gerade mit Billy im Namen des Herrn unterwegs war, wurde im Hauptquartier ausgebildet. Und dann wurde gebüffelt. Ohne geht Trödeln nicht. »Wenn Sie handeln, sollten Sie wissen, womit«, hatte Johann seinem Azubi gleich in der ersten Stunde erklärt. »Ein Autohändler muß sich mit Autos auskennen, ein Bananenhändler mit Bananen,ein Menschenhändler mit Menschen. Wer sich nicht auskennt, der muß auf die Dummen hoffen. Und das Geschäft mit den Dummen ist auf lange Sicht doch von unerträglicher Langeweile, habe ich recht? Jeder Kunde, der weiß, was er kauft, ist da ein Geschenk. Das ist eine Herausforderung. Gerade für uns Trödler. Und da wir alles verkaufen, müssen wir über alles Bescheid wissen. Das macht ja den Reiz. Sonst werden Sie ständig übers Ohr gehauen. Und damit Ihnen dieses Schicksal erspart bleibt, werden Sie ab sofort lesen. In jeder freien Sekunde, so viel Sie können, und alle Bücher, die ich Ihnen gebe. Hier ist schon mal die Bibel. In unserem speziellen Geschäft kommt man daran nun mal nicht vorbei.«
    Und Billy las. Stundenlang an jedem Tag. Zu Hause und auf Schicht. Er hatte sich im »Haus der zwei roten Sonnen« ein nettes Eckchen eingerichtet. Möbel gab es ja genug. Am Ende entschied er sich für einen einfachen Holztisch mit einer schlichten Lampe drauf. Davor stand eine Klavierbank. Als Stuhlersatz. Das war das Beste für einen aufrechten Sitz und damit für eine gute Haltung. Die Klavierbank wirkte in ihrer Union mit dem Tisch und der Lampe spektakulär angemessen, fand Billy. Das war auf das Wesentliche reduziert. Eine Troika der Konzentration. Er war schließlich nicht zum Spaß hier. Er nahm seinen neuen Job und die damit verbundene Ausbildung äußerst ernst. Das war ja der Grund, warum sie ihm so viel Spaß machte.
    Den absoluten Flash bekam Billy immer dann, wenn er im Verkaufsarchiv stöbern konnte. Von Zeit zu Zeit gab ihm Johann statt eines Buches einen von unzähligen Aktenordnern zu lesen, die er in einem Nebenzimmer und im Keller des Trödelladens aufbewahrte. Und das war schon allerhand. In den Aktenordnern waren zu jedem Teil, das er jemals von der katholischen Kirche gekauft hatte, alle wichtigen Informationen zusammengetragen. Zuerst eine knappe, aber präzise Beschreibung,um was es sich hier eigentlich handelte, dann eine Zustandsbeschreibung mit allen Vorteilen und Mängeln, dann der Kaufpreis, den das »Haus der zwei roten Sonnen« dem lieben Gott dafür bezahlt hatte, und schließlich die Antwort auf die Frage, ob das Teil bereits verkauft war (und wenn ja, für wieviel und wann) oder ob es sich noch auf Lager befand (und wenn ja, wo). Natürlich war zu jedem Teil auch mindestens ein Photo vorhanden, und in vielen Fällen hatte Johann sogar eine kleine, handschriftliche Notiz hinzugefügt, die Aufschluß über den Toten gab, mit dessen zurückgebliebenen Habseligkeiten er Geschäfte machte.
    Durch das Studium der Verkaufsakten lernte Billy viel über den Preis. Was war wieviel wert? Oder besser: Welchen Preis waren bestimmte Menschen bereit, für etwas Bestimmtes zu zahlen? Das war die entscheidende Frage des Trödlers, und Johann versuchte, Billy zu einem guten Trödler auszubilden. Die Bücher- und die Aktenkunde waren dafür
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