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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh
Autoren: Matthias Praxenthaler
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Mitglied der Gesellschaft werden? Ich meine, ohne Rückenmark, und so weiter. Da laufen immerhin die Nerven durch. Und die braucht man heutzutage. Mehr denn je, was?
    Es gibt aber auch Gutes zu berichten. Ob Du es glaubst oder nicht, ich werde jetzt Schriftsteller. Du bist übrigens der erste, der davon erfährt. Ich hatte Dir ja geschrieben, daß ich seit einiger Zeit an meiner Autobiographie arbeite. Und was soll ich Dir sagen – ich habe einen Verlag gefunden, der meine Geschichte drukken will. Ich habe die ersten fünfzig Seiten einfach mal so in der Gegend herumgeschickt, und heute kam eine Zusage. Eine Frau Gans vom Bayerischen Hardcover Verlag in München hat angebissen. Die will so schnell wie möglich den Rest lesen. Weil ihr der »Sound« von mir so gut gefällt, schreibt sie. Und hat mir sogar schon einen Vorvertrag mitgeschickt. Wahnsinn, oder? Ich meine, stell Dir das doch bitte mal vor! Die drucken was von mir! Vom Euro höchstpersönlich. Da frage ich Dich – was ist bloß los mit der deutschen Literatur?
    Mir kann es egal sein. Wichtig ist nur, daß die Kohle stimmt, oder? Und ich sag Dir, da ist richtig Geld drin, in diesem Buchgeschäft. Ich habe das mal durchgerechnet. Mit ein bißchen Geschick kann man da richtig Asche machen, mit so Büchern. Muß ich Dir bei Gelegenheit mal erzählen.
    Einen Titel habe ich übrigens auch schon. Ich werde mein Buch »Kiffen mit Paul Breitner« nennen. Klingt geil, was? Du kommst natürlich auch drin vor. Laß Dich überraschen.
    Und damit zurück in die Freiheit. Stell schon mal den Jägermeister kalt. In 42 Tagen komme ich raus.
    Kriminelle Grüße, Dein
    €

Kiffen mit Paul Breitner.
    What a difference a dot makes! Der Euro konnte ein Lied davon singen. Der Arme. Die Sache mit seinen Joints war aber auch wirklich zu dumm gelaufen. Und so saß er nicht etwa in St. Adelheim, wie er in der Kopfzeile seines Briefes an Billy geschrieben hatte, sondern in Stadelheim. Weil auch Knackisromantische Gefühle haben, wurde Stadelheim von seinen Insassen liebevoll St. Adelheim getauft, damit es sich anhört wie ein Kurort in Oberbayern. What a difference a dot makes!
    Seit über hundert Jahren ist Stadelheim für Münchens schlimme Finger der Inbegriff ihres Scheiterns. Weit über tausend davon hausen heutzutage hinter sechs Meter hohen Mauern, haben eine schlechte Aussicht, können sich dafür aber endlich über einen geregelten Alltag freuen. Der Aufschluß erfolgt normalerweise um Viertel vor sieben; der Einschluß gegen 16 Uhr 45. Dazwischen darf man jeden Tag eine Stunde im Hof spazierengehen, und zweimal im Monat ist für dreißig Minuten Besuchszeit. Gelegentliche Ausbruchsversuche dagegen sind reine Zeitverschwendung, da sich Stadelheim dummerweise in Bayern befindet, und mit Beschwerden über das Essen oder den Zuschnitt der Anstaltskleidung macht man sich deshalb ebenfalls schnell lächerlich. Und irgendwie auch zu Recht. Hinter Gittern zählen schließlich nur die inneren Werte.
    Im Grunde ist Stadelheim heute allerdings weniger ein klassischer Knast, als vielmehr ein gigantisches Zwischenlager für kriminelle Energien aller Art. Wer nach Stadelheim kommt, sitzt nämlich in den meisten Fällen in Untersuchungs-, Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs-, Erzwingungs-, Auslieferungs-, Durchlieferungs- oder Abschiebungshaft und wartet auf eine gerichtliche Entscheidung über sein weiteres Schicksal. In regulärer Strafhaft dagegen sitzen in Stadelheim die wenigsten. Dafür müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Und beim Euro stimmten sie.
    Acht Monate Obacht beim Duschen, ohne Bewährung und wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG), lautete das Urteil des zuständigen Richters, das dem Euro den unerwarteten Aufenthalt in Stadelheim bescherte. Und das war eine Sensation. So billig kam man in Bayern normalerweise nicht davon. Bei den Drogendelikten verstandendie bayerischen Gerichte keinen Spaß. Waffenhandel, Festplattenprobleme oder Trunkenheit am Steuer mit polnischer Todesfolge – nun gut! Da drückte die weißblaue Justitia gerne mal ein Auge unter ihrer schwarzen Binde zu und gab sich amigofreundlich großzügig. Aber sobald auch nur das Wort »Drogen« im Gerichtssaal fiel, schlug das Gesetz erbarmungslos zu. Bei Drogen war der Kas bissen.
    Der Euro nahm sein Urteil sofort an. Er wußte, daß er damit mehr als zufrieden sein konnte. Daher dachte er auch nicht mal im Traum über eine Berufung nach. Auch wenn sein Pflichtverteidiger hartnäckig
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