Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Weihnachtshaus

Das Weihnachtshaus

Titel: Das Weihnachtshaus
Autoren: Robin Jones Gunn
Vom Netzwerk:
unterhaltsam.»
    Ich biss mir auf die Unterlippe und spürte, wie sich mein Magen verkrampfte.
    «Würden Sie mitkommen?», fragte Katharine. «Als mein Gast natürlich.»
    «Ich … Ich weiß nicht.»
    «Ach.» Sie gab mir das Foto zurück. «Wahrscheinlich haben Sie schon etwas vor. Es ist immerhin Heiligabend.»
    «Nein. Ich meine, ja. Ich habe schon etwas vor. Ich muss wieder zurück nach London. In mein Hotel.»
    «Ts, ts, ts. Nach London ist es nicht weit. Dahin können Sie auch später noch fahren.»
    Während ich nach einer passenden Antwort suchte, stand Katharine geduldig vor mir, die Hände über dem schönen Abendkleid gefaltet, und wartete.
    «Ich habe nicht die richtigen Sachen zum Anziehen dabei fürs Theater», erwiderte ich.
    Sie lächelte. «Ich denke nicht, dass man das, was heute Abend geboten wird, auch nur im Entferntesten als ‹Theater› bezeichnen kann. Was Sie anhaben, ist völlig passend. Ich bin so angezogen, weil ich bei der Veranstaltung mitmache. Am Buffet, genauer gesagt.»
    Ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte, und schaute nur auf die unberührten Scones auf dem Teller.
    «Na dann», sagte sie, um das Schweigen zu überbrücken. «Ich glaube, ich lasse Sie jetzt lieber allein mit dem Tee. Sie können ja in aller Ruhe über die Einladung nachdenken.»
    Gerade als sie gehen wollte, platzte ich mit dem Grund für meine Unentschlossenheit heraus: «Ich gehe nicht ins Theater.» Katharine nahm meine eigenartige Bestimmtheit scheinbar ungerührt hin. «Ich gehe schon lange nicht mehr ins Theater und …»
    Die Entschlossenheit, mit der ich meinen Boykott aufrechterhalten hatte, seit ich neun Jahre alt war, schwand dahin. In Anbetracht der Anmut meiner eleganten Gastgeberin schien mir meine ganze Abwehrhaltung nicht mehr besonders logisch.
    «… ich gehe einfach nicht mehr ins Theater», schloss ich matt.
    Katharine stand ruhig da, nur ein paar Schritte entfernt. Nach einer Pause sagte sie: «Ich habe an Entscheidungen immer geschätzt, dass man jederzeit eine neue treffen kann.»
    Dann verschwand sie hinter dem Vorhang, der die Küche von dem halben Dutzend Tische mit den roten Decken und den flackernden Kerzen trennte. Ich saß allein am behaglichen Feuer.
    Dennoch fühlte ich mich nicht ganz allein. Einige ausgewählte Erinnerungen aus frühester Kindheit versammelten sich auf dem leeren Stuhl mir gegenüber. Sie richteten sich zu voller Größe auf, kamen näher und starrten mich an, als wollten sie erfahren, ob sie noch immer Macht über meine Entscheidungen hatten.

DRITTES KAPITEL
    In der Stille und der Sicherheit des Tea Cosy kam das Echo meiner ach so seltsamen Kindheit zu mir zurück.
    Alle Erinnerungen begannen mit meiner Mutter. Sie war Schauspielerin. Nicht Schauspieler. Ich bitte Sie. Schauspielerin . Sie stellte sich selbst vor als «Eve Carson, die Schauspielerin», und die Leute nickten daraufhin, als sei sie ihnen vage bekannt. In Wahrheit hatte niemand von ihnen jemals etwas von ihr gehört.
    Jeden Sommer tollte Eve Carson, die Schauspielerin, über die Bühne, verkörperte den einen oder anderen unsterblichen Charakter am Shakespeare-Theater in Ashland, Oregon. Den Rest des Jahres packte sie unsere grünen Koffer hinten in unseren kleinen blauen Wagen, und wir fuhren die Westküste hinauf und hinunter, wo sie bei einer Reihe von Theatern vorsprach, mit denen sie in Verbindung stand.
    In Santa Cruz trug meine Mutter bei ihrer Arbeit ein Renaissancekostüm, das von einer kahlköpfigen Frau genäht worden war, die sieben Katzen hatte, aber keinen Fernseher. In San Diego lag unser Hotelzimmer ganz nah bei dem Dinner-Theater, wo meine Mutter jede Nacht in einem Matrosenkostüm sang und tanzte. Samstags gab es immer zwei Aufführungen und eine Menge zu essen, aber erst um Mitternacht. Doch das machte mir natürlich nichts aus.
    Ich war ein Zigeunerkind. Ein Einzelkind. Deshalb glaubte ich alles, was meine Mutter sagte, auch, als sie mir in blumigen Worten erzählte, wie sie eines Nachts im Mondlicht an einem See auf einem federweichen Moosbett geschlafen hätte.
    «Leise, ganz leise, hat der Große Wagen einen kleinen, aber hell funkelnden Stern in meinen Bauch hineinfallen lassen. Der kleine Stern wuchs und wurde so groß wie eine Wassermelone, und dann …»
    Ihre dunkelblauen Augen wurden größer, während sie erklärte, dass ich dann eines Tages einfach so herausgekommen und friedlich in ihren Armen eingeschlafen sei.
    «Und dieser Tag, mein Schatz», schloss
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher