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Das Weihnachtshaus

Das Weihnachtshaus

Titel: Das Weihnachtshaus
Autoren: Robin Jones Gunn
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sagen, wo es ist?»
    Sie schüttelte den Kopf.
    «Ich habe den Namen von der Rückseite eines Fotos», erklärte ich und holte eine kleine Plastiktüte aus meiner Tasche. Darin verwahrte ich das Foto sorgfältig. Vorsichtig nahm ich es heraus. Dieses Foto war das kostbare Beweisstück, das mich nach langer Unentschlossenheit nach Carlton Heath geführt hatte. Ich drehte es um und zeigte auf den Namen, der auf die Rückseite gestempelt war. «Carlton-Fotostudio, Bexley Lane, Carlton Heath». Vorsichtig gab ich Katharine das Foto.
    Sie schien verwirrt. «Das ist die einzige Bexley Lane in Carlton Heath. Und ich kenne kein Fotostudio in der Straße. Vielleicht gibt es das Geschäft nicht mehr.»
    «Das habe ich befürchtet.»
    Sie legte ihren Kopf schräg, und ihre Ohrringe blitzten im Schein des Feuers auf. «Wenn es das Geschäft hier gab, bin ich sicher, dass irgendjemand in der Stadt Bescheid darüber weiß. Ich wohne erst seit ein paar Jahren in Carlton und kann deshalb nicht viel sagen, wenn es um früher geht. Mein Mann wüsste es bestimmt.»
    Bevor sie mir das Foto zurückgab, hielt sie inne und fragte: «Darf ich es mir einmal ansehen?»
    «Aber natürlich. Und sagen Sie mir doch bitte, ob Sie jemanden auf dem Foto erkennen.»
    Das Bild, auf das sie schaute, hatte sich mir ins Gedächtnis eingebrannt. Ich hatte schon so lange auf das Foto gestarrt, dass mir jede Kleinigkeit der zwei abgebildeten Menschen vertraut war, sogar das verwaschene Grün des Pullovers, den der kleine Junge trug. Er musste vier, vielleicht fünf Jahre alt sein. Unsicher saß er auf dem Schoß eines Mannes in einem eigenartigen Weihnachtsmannkostüm. Der Junge weinte, sein Mund stand weit offen, und er hatte den Kopf zurückgeworfen. Seine kurzen Arme hielt er steif an der Seite, wie ein tapferer kleiner Soldat, doch er schreckte scheinbar nicht davor zurück, laut zu weinen.
    Jede einzelne Linie im Gesicht des Mannes, der den Weihnachtsmann spielte, war mir vertraut. Sein Anzug sah eher aus wie der eines Bohemiens, nicht wie das übliche rotsamtene Kostüm eines Weihnachtsmannes. Auch seine rote Mütze war untypisch für einen Weihnachtsmann. Sie stand ein gutes Stück hoch, bevor sie zur Seite kippte, und war mit einem schmalen schwarzen Band abgesetzt, nicht wie sonst üblich mit einem breiten Rand aus weißem Vlies.
    Weiß waren dafür der lang fließende Bart des Mannes und seine dichten Augenbrauen. Er schien bemüht zu sein, ein ernstes Gesicht zu machen, doch seine Augen verrieten sein fröhliches Naturell und auch sein Alter. Den Lachfalten um seine klaren blauen Augen nach zu schließen, musste er über fünfzig sein. An seiner großen linken Hand, die er um die Mitte des Jungen gelegt hatte, war ein goldener Ring am Mittelfinger zu sehen und an seinem Handgelenk ein goldenes Uhrenarmband.
    «Was für ein Charmeur», meinte Katharine lächelnd, während sie auf das Foto schaute.
    Ich nickte. Das Foto brachte jeden Betrachter zum Lächeln.
    «Komisch», sagte sie und neigte leicht den Kopf. «Ich bin mir sicher, dass ich dieses Foto schon einmal gesehen habe.»
    Mein Herz machte einen Sprung, und ich stellte meine Tasse auf den Tisch zurück, ohne den Blick von Katharine zu nehmen. «Wirklich? Hier in Carlton Heath? Können Sie sich erinnern, wo das war?»
    «Nein. Ich bin mir nicht sicher. Ich erinnere mich aber, dass das Foto in einem Rahmen war. In einem sehr schönen, kunstvoll gearbeiteten Rahmen. Ich kann mich aber nicht mehr recht erinnern, wo ich ihn gesehen habe.»
    Ich wartete gespannt, während sie wieder auf das Foto blickte und die Lippen verzog.
    Nach etwa einer Minute sagte sie: «Ich habe eine Idee.»
    «Ja?»
    «Ich weiß nicht mehr, wo ich dieses Foto gesehen habe, aber vielleicht kann jemand in der Stadt helfen. Leute, die schon länger hier leben als ich, müssten das Fotostudio kennen. Einer von denen könnte den Mann oder den Jungen auf dem Foto vielleicht erkennen.»
    «Wen soll ich fragen?»
    «Ein paar Leute, die hier wohnen, denke ich. Erst einmal meinen Mann. Er und die anderen sind heute Abend bei der Aufführung. Warum begleiten Sie mich nicht einfach?»
    «Zu welcher Aufführung?»
    «Na, vom Weihnachtslied , dem Stück von Dickens. Aber ich muss Sie warnen, es ist eine ziemlich schräge Fassung. Und die Spieler, die das Stück aufführen, halten die Tradition hier schon vierzig Jahre lang aufrecht. Deshalb ist die Interpretation der Charaktere auch ein bisschen, sagen wir mal, frei. Aber es ist sehr
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