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Das Weihnachten des Mr Scrooge

Das Weihnachten des Mr Scrooge

Titel: Das Weihnachten des Mr Scrooge
Autoren: Charles Dickens
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das er besaß, und obendrein ein recht feines; sie hätten es gewiß verdorben, wenn ich nicht gewesen wäre.«
    »Was nennt Ihr verderben?« fragte der alte Joe.
    »Sie hätten's ihm angezogen und ihn darin begraben, meine ich!« versetzte das Weib unter Gelächter. »Jemand war wirklich verrückt genug, es zu tun, ich habe es ihm aber wieder ausgezogen. Wenn ein baumwollenes für einen solchen Zweck nicht gut genug ist, dann ist es überhaupt zu nichts gut. Dem Leichnam steht es so prächtig wie ein anderes; er kann nicht häßlicher aussehen, als er in diesem aussah.«
    Scrooge hörte voll Entsetzen der Unterhaltung zu. Als sie so um ihren Raub herumsaßen im trüben Schein der Lampe des Alten, betrachtete er sie mit einer Verachtung und einem Abscheu, wie sie kaum hätten größer sein können, wenn sie unflätige Dämonen gewesen wären, die um den Leichnam selbst feilschten.
    »Ha ha!« lachte dasselbe Weib, als der alte Joe einen Geldbeutel aus Flanell hervorzog und jedem den Gewinn auf den Boden hinzählte. »Seht ihr, das ist das Ende. Er scheuchte jeden von sich, solange er noch lebte – um uns zu nützen, nachdem er nun tot ist. Ha ha ha!«
    »Geist!« sprach Scrooge, von Kopf bis Fuß schaudernd, »ich begreife, ich begreife. Das Los dieses unglücklichen Mannes könnte mein eigenes sein, mein jetziges Leben führt zu diesem Ziel. Barmherziger Himmel, was ist das?!«
    Entsetzt bebte er zurück, denn die Szene hatte sich verwan
delt, und nun stieß er fast an ein Bett: ein kahles Bett ohne Vorhänge, auf dem unter einem zerrissenen Leintuch etwas verdeckt lag, das sich in fürchterlicher Sprache ankündigte, obwohl es stumm war.
    Das Gemach war sehr dunkel, zu dunkel, um es genau zu erkennen, obwohl sich Scrooge, einem geheimen Drang folgend, darin umsah, um herauszufinden, was für ein Gemach es war. Ein bleicher Lichtschein von draußen fiel gerade auf das Bett, und auf ihm lag ausgeplündert und beraubt, unbewacht, unbeweint, ungepflegt der Leichnam jenes Mannes.
    Scrooge blickte auf das Gespenst. Dessen steife Hand deutete auf den Kopf. Die Decke war so nachlässig darübergebreitet, daß die geringste Verschiebung, die bloße Berührung durch Scrooges Finger das Antlitz enthüllt hätte. Scrooge dachte daran, fühlte auch, wie leicht es sei, und trug Verlangen danach, es zu tun, vermochte aber ebensowenig den Schleier wegzuziehen wie das Gespenst an seiner Seite loszuwerden.
    O kalter, kalter, strenger, furchtbarer Tod! Hier bau deinen Altar auf und ziere ihn mit allen Schrecken, die dir zu Gebote stehen, denn dies ist dein Reich! Aber dem geliebten, geachteten und verehrten Haupt kannst du kein Haar krümmen nach deinen argen Wünschen, noch kannst du einen Zug an ihm häßlich machen. Nicht weil die Hand schwer ist und herabsinkt, wenn wir sie freigeben, nicht weil Herz und Pulse stillstehen, sondern weil die Hand offen, freigebig und treu, das Herz tapfer, liebevoll und zärtlich und die Pulse die eines Mannes waren. Schlag zu, Schatten, schlag zu, und sieh seine guten Taten aus der Wunde quellen, um unsterbliches Leben über die Welt hinzusäen!
    Keine Stimme flüsterte diese Worte in Scrooges Ohr, und doch hörte er sie, als er auf das Bett blickte. Er fragte sich, was wohl die ersten Gedanken dieses Mannes wären, wenn
er jetzt auferstünde. Geiz, Selbstsucht, drückende Sorgen? Sie haben ihm wahrlich ein schönes Ende bereitet.
    Da lag er nun in dem dunklen, leeren Haus, und kein Mann oder Weib oder Kind waren bei ihm, die sagen mochten: Er war gut zu mir in dem oder jenem, und im Andenken an ein einziges gutes Wort will ich gut zu ihm sein. Eine Katze kratzte an der Tür, und unter dem Herdstein hörte man ein Geräusch wie von nagenden Ratten: was sie im Totengemach wollten und warum sie so geschäftig und aufgescheucht waren, wagte Scrooge nicht auszudenken.
    »Geist«, sprach er, »dies ist ein schauriger Ort. Glaub mir, auch wenn ich ihn verlasse, wird seine Lehre an mir nicht verloren sein! Laß uns gehen!«
    Der Geist aber deutete noch immer mit regungslosem Finger auf das Haupt.
    »Ich begreife, was du willst«, versetzte Scrooge, »und täte es, wenn ich könnte. Aber es geht über meine Kraft, Geist, über meine Kraft!«
    Wieder schien der Geist auf ihn zu blicken.
    »Wenn es in dieser Stadt einen Menschen gibt, der bewegt ist vom Tod dieses Mannes«, sprach Scrooge, zu Tode erschöpft, »dann zeige ihn mir, Geist, ich beschwöre dich!«
    Die Erscheinung breitete für einen
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