Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Weihnachten des Mr Scrooge

Das Weihnachten des Mr Scrooge

Titel: Das Weihnachten des Mr Scrooge
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
Vergnügen machen konnte. Nie hätte er sich träumen lassen, daß ein Spaziergang, daß überhaupt irgend etwas ihn so glücklich stimmen könne. Am Nachmittag lenkte er seine Schritte zum Haus seines Neffen.
    Er ging ein dutzendmal an der Tür vorüber, ehe er den Mut fand, heranzutreten und anzuklopfen. Endlich aber gab er sich einen Ruck und tat es.
    »Ist Ihr Herr zu Hause, liebes Kind?« fragte Scrooge das Hausmädchen. Ein hübsches Mädchen! Sehr hübsch!
    »O ja, Sir.«
    »Wo ist er, meine Liebe?« fragte Scrooge weiter.
    »Er ist im Speisezimmer, Sir, mit der gnädigen Frau. Darf ich Sie oben melden?«
    »Danke; er kennt mich«, sagte Scrooge, mit der Hand bereits auf der Türklinke des Speisezimmers. »Ich will hier eintreten.«
    Er öffnete leise und schob den Kopf durch die Türspalte. Er blickte auf den Tisch, der mit großem Aufwand hergerichtet war, denn diese jungen Hausfrauen sind stets auf solche Dinge aus und sehen es gern, wenn alles am rechten Platz ist.
    »Fred!« flüsterte Scrooge.
    Du lieber Gott! Wie schrak seine Nichte zusammen! Scrooge hatte für einen Augenblick vergessen, daß sie in der Ecke auf dem Schemel saß, sonst hätte er um keinen Preis gerufen.
    »Himmel!« rief Alfred, »wer ist denn das?«
    »Ich bin's, dein Onkel Scrooge. Ich habe mich zum Essen eingefunden. Läßt du mich ein, Fred?«
    Einlassen! Ein Wunder, daß er ihm den Arm nicht abriß. Scrooge war in fünf Minuten wie zu Hause. Nichts konnte herzlicher zugehen. Seine Nichte war ganz so, wie er sie kannte. Ebenso Topper, als er kam. Ebenso die dicke Schwester, als sie kam. Ebenso alle, als sie kamen. Wundervolle Gesellschaft, wundervolle Spiele, wundervolle Eintracht, wun-der-volle Glückseligkeit!
    Am andern Morgen aber war er früh in seinem Kontor. Oh, sehr früh! Wenn er nur als erster erscheinen und Bob Cratchit beim Zuspätkommen erwischen konnte. Darauf hatte er es abgesehen.
    Und es gelang ihm; jawohl, es gelang. Die Uhr schlug neun. Kein Bob. Viertel zehn. Kein Bob. Er kam um volle achtzehneinhalb Minuten zu spät. Scrooge saß bei weit offener Tür, damit er ihn in seinen Käfig treten sah.
    Den Hut hatte er schon abgenommen, ehe er die Tür öffnete, seinen Schal gleichfalls, im Nu saß er auf seinem Stuhl und ließ die Feder dahingleiten, als wolle er die neunte Stunde noch einholen.
    »Heda!« brummte Scrooge mit seiner gewöhnlichen Stimme, so gut er sie vorzutäuschen vermochte, »was fällt Ihnen ein, zu dieser Tageszeit zu erscheinen?«
    »Es tut mir sehr leid, Sir«, versetzte Bob, »ich habe mich verspätet.«
    »So?« brummte Scrooge. »Ja, das glaube ich auch. Kommen Sie her, Sir, wenn's gefällig ist!«
    »Es geschieht ja nur einmal im Jahr, Sir«, bat Bob, indem er aus seinem Kasten auftauchte. »Es wird sich nicht wiederholen. Wir waren gestern ziemlich lustig, Sir.«
    »Ich will Ihnen etwas sagen, mein Freund«, schrie Scrooge, »so geht das nicht weiter! Und deshalb«, fuhr er fort, indem er vom Stuhl aufsprang und Bob einen Rippenstoß gab, daß er in den Kasten zurücktaumelte, »und deshalb will ich Ihr Gehalt erhöhen!«
    Bob zitterte und rutschte näher zum Lineal. Einen Augenblick fuhr ihm der Gedanke durch den Kopf, Scrooge damit niederzuschlagen, ihn festzuhalten und die Leute im Hof um Hilfe und um eine Zwangsjacke zu bitten.
    »Fröhliche Weihnachten, Bob!« sagte Scrooge mit unmißverständlichem Ernst, als er ihm auf den Rücken klopfte. »Ein fröhlicheres Weihnachten, guter Bob, als ich Ihnen jahrelang bereitet habe! Ich will Ihr Gehalt erhöhen und mich bemühen, Ihrer schwer ringenden Familie beizustehen. Wir wollen Ihre Angelegenheiten noch heute nachmittag bei einem Glas dampfendem Weihnachtspunsch besprechen, Bob! Nun machen Sie Feuer und kaufen einen andern Kohlenkorb, ehe Sie das Tüpfelchen auf ein i setzen, Bob Cratchit!«
    Scrooge war noch besser als sein Wort. Er tat, was er sagte, und unendlich viel mehr. Tiny Tim, der nicht starb, hatte an ihm einen zweiten Vater. Er wurde ein so guter Freund, Arbeitsherr und Mensch, wie man ihn nur in der guten alten Stadt oder in irgendeiner anderen guten alten Stadt, einem Städtchen oder Flecken in der guten alten Welt zu finden vermochte. Manche Leute lachten, als sie diese Veränderung an ihm wahrnahmen, aber er ließ sie lachen und kehrte sich nicht daran, denn er war klug genug, um zu wissen, daß auf diesem Erdball nie etwas Gutes geschehen ist, ohne daß nicht gewisse Leute zu Anfang darüber gelacht hätten. Und da er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher