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Das Weihnachten des Mr Scrooge

Das Weihnachten des Mr Scrooge

Titel: Das Weihnachten des Mr Scrooge
Autoren: Charles Dickens
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werden, als ich bisher war, so bin ich darauf vorbereitet, deine Gesellschaft zu ertragen, und tue es mit dankbarem Herzen. Willst du nicht mit mir reden?«
    Der Geist gab ihm keine Antwort. Seine Hand wies geradeaus vor ihn hin.
    »Geh voran«, sprach Scrooge, »führe mich! Die Nacht schwindet schnell, und ich weiß, es ist für mich eine kostbare Zeit. Führe mich, Geist!«
    Der Geist glitt hinweg, wie er auf ihn zugekommen war. Scrooge folgte im Schatten seines Gewandes, das ihn, wie er glaubte, emporhob und davontrug.
    Nicht sie schienen sich der City zu nähern – diese schien vielmehr auf sie zuzuspringen und sie aus eigenem Antrieb zu umschließen. Da waren sie auch schon in ihrem Herzen, auf der Börse unter den Kaufleuten, die eifrig hin und her eilten, mit dem Geld in ihren Taschen klimperten, in Gruppen zusammenstanden und sich besprachen, auf die Uhr schauten, gedankenvoll mit ihren großen, goldenen Siegeln spielten und dergleichen Dinge mehr taten, wie Scrooge sie oft gesehen hatte.
    Der Geist blieb neben einem Häuflein solcher Geschäftsleute stehen. Als Scrooge seine Hand auf sie hindeuten sah, näherte er sich ihnen, um ihr Gespräch zu belauschen.
    »Nein«, sprach ein großer, dicker Mann mit gewaltigem Kinn, »ich weiß sonst nicht viel darüber; ich weiß nur, daß er tot ist.«
    »Wann starb er?« fragte ein anderer.
    »Heute nacht, glaube ich.«
    »Was fehlte ihm denn?« fragte ein dritter und nahm dabei eine tüchtige Prise aus einer sehr großen Schnupftabaksdose; »ich dachte, der stürbe nie.«
    »Gott weiß, was ihm fehlte«, erwiderte der erste gähnend.
    »Was hat er denn mit all seinem Geld angefangen?« fragte ein Herr mit rotem Gesicht und einem herabhängenden Auswuchs an der Nase, der wie die Hautlappen eines Truthahns wackelte.
    »Ich habe nichts darüber gehört«, antwortete der Mann mit dem Riesenkinn und gähnte von neuem; »er hat es vielleicht seiner Genossenschaft vermacht. Mir hat er es nicht vererbt, das weiß ich.«
    Dieser Scherz wurde mit allgemeinem Gelächter aufgenommen.
    »Es wird wohl ein recht billiges Leichenbegängnis werden«, fuhr derselbe Sprecher fort; »so wahr ich lebe, ich weiß keinen, der mitgeht. Wollen wir uns nicht zusammentun und freiwillig daran teilnehmen?«
    »Ich habe nichts dagegen, wenn für ein Frühstück gesorgt ist«, meinte der Mann mit dem Auswuchs an der Nase. »Ich muß gefüttert werden, wenn ich mithalten soll.«
    Neues Gelächter.
    »Na, ich bin doch der uneigennützigste unter euch«, sagte der erste Sprecher, »denn ich trage nie schwarze Handschuhe
und nehme an keinem Frühstück teil; aber ich erbiete mich hinzugehen, wenn noch jemand mitkommen will. Wenn ich darüber nachdenke, bin ich nicht sicher, ob ich nicht sein engster Freund war; denn sooft wir uns trafen, pflegten wir stehenzubleiben und ein bißchen zu plaudern. Auf Wiedersehen!«
    Sprecher und Hörer zerstreuten sich und mischten sich unter andre Gruppen. Scrooge kannte diese Männer und blickte, eine Erklärung suchend, auf den Geist.
    Das Gespenst aber schwebte auf die Straße hinaus. Sein Finger deutete auf zwei Personen, die sich eben begegneten. Scrooge hörte wiederum zu, in der Annahme, daß vielleicht hier ein Aufschluß zu finden sei.
    Er kannte auch diese Männer recht gut. Es waren Geschäftsleute, sehr reich und von großem Einfluß; er hatte sich stets Mühe gegeben, in ihrer Achtung zu stehen, das heißt: geschäftlich betrachtet; nur geschäftlich betrachtet.
    »Wie geht's?« fragte der eine.
    »Danke! Ihnen?« fragte der andere.
    »So, so«, versetzte der erste. »Der alte Filz ist heute nacht eingegangen, wie?«
    »Hab's gehört«, entgegnete der andere. »Kaltes Wetter, nicht wahr?«
    »Wie's für Weihnachten paßt. Sie sind kein Schlittschuhläufer, nehme ich an.«
    »Nein, nein! Habe an anderes zu denken. Guten Morgen!«
    Kein Wort sonst. Das war ihre Begegnung, ihre Unterhaltung, ihr Abschied.
    Scrooge war zuerst geneigt, sich zu wundern, weil der Geist diesen offensichtlich nichtssagenden Unterhaltungen soviel Wichtigkeit beimaß; aber da er überzeugt war, daß irgendeine geheime Absicht dahintersteckte, dachte er eifrig nach, worauf die Gespräche hinauslaufen könnten. Schwerlich konnten
sie auf den Tod seines alten Gesellschafters Jakob anspielen, denn der gehörte ja der Vergangenheit an, und das Reich dieses Geistes war die Zukunft. Auch konnte er sich keines Menschen erinnern, der ihm nahestand und auf den sie sich hätten beziehen
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