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Das wahre Wesen der Dinge (German Edition)

Das wahre Wesen der Dinge (German Edition)

Titel: Das wahre Wesen der Dinge (German Edition)
Autoren: Ted Chiang
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kostbare Zeit verschwenden. Allerdings werden Sie mir dann vermutlich die Polizei auf den Hals hetzen. Daher war ich so frei, in die Datenbanken der KFZ-Zulassungen einen Virus einzuschleusen; wann immer jemand das Kennzeichen meines Autos aufrufen will, wird die Information ausgetauscht. Natürlich könnten Sie auch eine Beschreibung meines Autos weitergeben, aber Sie haben ja keine Ahnung, wie es aussieht, nicht wahr?
    Leon
    Er wird die Polizei anrufen, damit deren Programmierer sich den Virus vornehmen. Er wird annehmen, dass ich an Größenwahn leide – wegen des arroganten Tonfalls des Briefes und des unnötigen Risikos, das ich bei seiner Hinterlegung im Krankenhaus eingegangen bin, und wegen der sinnlosen Ankündigung eines Virus, der ansonsten nie bemerkt worden wäre.
    Doch Shea irrt sich. Dieses Vorgehen dient nur dazu, dass die Polizei und die CIA mich unterschätzen und keine entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Nachdem die Programmierer meinen Virus aus der Datenbank der KFZ-Zulassungen eliminiert haben, werden sie meine Programmierkünste als gut, aber nicht überragend einstufen und dann die Backups aufspielen, um mein tatsächliches Kennzeichen zu erhalten. Das wird einen zweiten, weit raffinierteren Virus aktivieren. Dieser wird sowohl in die Backups als auch in die aktive Datenbank eingreifen. Die Polizei wird sich damit zufriedengeben, nun das richtige Kennzeichen zu haben, und von da an auf der falschen Fährte sein.
    Mein nächstes Ziel besteht darin, eine weitere Ampulle mit Hormon K zu bekommen. Allerdings wird die CIA dadurch leider auch eine genaue Vorstellung von meinen wahren Fähigkeiten erhalten. Wenn ich diese Nachricht nicht geschickt hätte, hätte die Polizei meinen Virus später entdeckt, und dann wäre ihnen klar gewesen, dass sie extrem gründlich vorgehen müssen, um ihn zu entfernen. In diesem Fall hätte ich es nie geschafft, mein Kennzeichen aus ihren Dateien zu löschen.
    Inzwischen habe ich in einem Hotel eingecheckt und kann vom Terminal meines Zimmers aus auf das Datanet zugreifen.
    Ich bin in die Datenbank der Arzneimittelbehörde eingebrochen. Ich habe die Adressen der Hormon-K-Patienten ausfindig gemacht und Einblick in die interne Kommunikation der Behörden erhalten. Die klinischen Studien zu Hormon K sind gestoppt worden, vorerst sind keine weiteren Versuche mehr erlaubt. Die CIA besteht darauf, dass sie mich erst wieder einfangen und analysieren müssen, welche Bedrohung von mir ausgeht, bevor die Ärzte weitermachen.
    Die Arzneimittelbehörde hat alle Krankenhäuser aufgefordert, die übrigen Ampullen per Kurier zurückzuschicken. Bevor das geschieht, muss ich mir eine Ampulle verschaffen. Der nächstgelegene Patient lebt in Pittsburgh; ich buche einen Flug, der früh am nächsten Morgen geht. Dann schaue ich mir eine Karte von Pittsburgh an und gebe beim Kurierdienst von Pennsylvania einen Auftrag auf, dem zufolge etwas in einer Investmentfirma in der Innenstadt abgeholt werden soll. Schließlich buche ich einige Stunden Rechenzeit auf einem Supercomputer.
    Ich habe meinen Leihwagen an der Ecke eines Wolkenkratzers von Pittsburgh geparkt. In meiner Jackentasche steckt eine kleine Platine mit einer Tastatur. Ich schaue die Straße hinunter in die Richtung, aus der der Kurier kommen wird; die Hälfte der Fußgänger trägt weiße Atemfilter über dem Mund, aber die Sicht ist gut.
    Ich entdecke ihn, als er noch zwei Kreuzungen entfernt ist; ein normaler Transporter, ein älteres Modell, der Schriftzug auf der Seite lautet Pennsylvania Courier . Es handelt sich nicht um einen Hochsicherheitstransport; so besorgt ist die Behörde wegen mir nicht. Ich steige aus meinem Auto und gehe auf den Wolkenkratzer zu. Der Transporter trifft kurz danach ein, parkt, und der Fahrer steigt aus. Sobald er im Gebäude ist, steige ich in seinen Wagen.
    Er ist gerade vom Krankenhaus gekommen. Nun ist der Fahrer auf dem Weg zum vierzigsten Stockwerk; dort will er eine Sendung bei einer Investmentfirma abholen. Er wird frühstens in vier Minuten zurückkehren.
    In den Boden des Transporters ist ein Schließfach eingelassen, dessen Tür und Wände aus doppelten Stahlplatten bestehen. Auf der Tür befindet sich eine polierte Platte; das Schließfach öffnet sich, wenn der Fahrer seine Hand darauflegt. Die Platte hat außerdem an der Seite eine Anschlussbuchse, über die man sie programmieren kann.
    Letzte Nacht bin ich in die Service-Datenbank von Lucas Security Systems
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