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Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Titel: Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant
Autoren: Sheri S. Tepper
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ein kleines Siegeslied, als wir im Licht des frühen Morgens den See entlangritten.
    Das Stürmische Meer lag ruhig und glitzernd da, ein lächelndes Gesicht, in dem nichts auf die Stürme hindeutete, die häufig darüber hinwegzogen. Chance erinnerte mich an unsere letzte Fahrt übers Wasser, als wir vor dem Wind und einem Schiff voller Pfandleiher flohen, die Mandor von Bannerwell ausgesandt hatte, mich zu fangen.
    »Ich will nicht daran denken«, sagte ich zu ihm. »Und an diese Zeit.«
    »Ich dachte, du mochtest sie«, erwiderte er. »Dieses Mädchen von den Unveränderlichen.«
    »Tossa. Ja, Chance, ich mochte sie, aber sie ist gestorben. Ich mochte auch Mandor, und er ist so gut wie tot, eingeschlossen in Bannerwell, wo er noch immer Prinz ist. Es scheint, daß es Leuten nicht sehr gut tut, wenn ich sie mag.«
    »Ach, was für ein Unsinn, Bursche! Du magst Seidenhand, und sie ist jetzt Spielmeisterin unten in Xammer, wo es ihr viel besser geht als damals, als du sie kennenlerntest. Und Windlow … Du hast ihm geholfen, Prionde, dem Hochkönig, zu entkommen, und ich will wohl meinen, daß das gut für ihn war. Das Spiel hat Tossa auf dem Gewissen, und es tut mir leid, daß es so kam. Sie war ein hübsches Ding.«
    »Stimmt. Aber das ist fast ein Jahr her, Chance. Ich habe um sie getrauert, aber nun ist es vorüber. Zeit, sich etwas anderem zuzuwenden.«
    »Da sprichst du etwas Wahres aus. Es ist immer Zeit, etwas Neues zu beginnen.«
    So ritten wir weiter, bisweilen in solche beiläufigen Gespräche vertieft, dann wieder schweigend. Ich hatte dieses Land noch nie gesehen. Als ich nach der Schlacht von Bannerwell zur Leuchtenden Domäne gereist war, waren wir über Land und nicht die lange Straße entlanggeritten. Auf jeden Fall hatte ich meiner Umgebung auch keine Beachtung geschenkt.
    Wir erreichten den Fluß Banner am Abend des dritten Tages. Da wir keinen Gasthof fanden, ließ uns ein Fährmeister im Schuppen, wo die Boote lagerten, übernachten. Wir setzten im frühen Morgenlicht über und verbrachten die folgende Nacht in einem Weiler, nicht größer als meine Faust, bevor wir am Mittag des darauffolgenden Tages zur Schulstadt hineinritten.
    Aus irgendeinem Grund hatte ich geglaubt, es müßte sich etwas verändert haben, aber alles sah so aus wie früher: kleine, an die Berghänge geschmiegte Häuser, Läden und Festivalhallen entlang der Straßen, Kopfsteinpflaster, Mauern und schiefe Dächer, verwinkelte Schornsteine, die Rauch in den dunstigen Himmel bliesen, und die Schulhäuser auf dem Hang oben. Havadhaus, wo Mandor Spielmeister gewesen war. Dorcanhaus auf der anderen Seite, Bilmeshaus, von dem man sagte, daß dort Zauberer ausgebildet würden. Mertynhaus, wo mein thalan erster Spielmeister war, wo ich in den Kindersälen aufgewachsen war, um von Karl Schweinsgesicht geärgert und von Mandor geliebt zu werden und schließlich Abschied zu nehmen. Ein bittersüßes Gefühl kroch in mir hoch, halb Übelkeit, halb Freude, zusammen mit der verrückten Idee, Mertyn zu fragen, ob ich wieder in dem Haus wohnen könnte, um noch einmal ein Schüler zu werden. Die meisten Schüler verließen die Stadt nicht, bevor sie fünfundzwanzig Jahre alt waren. Ich könnte noch fast ein Jahrzehnt hierbleiben, in der friedlichen Schulstadt. Als ich wieder zu mir kam, merkte ich, daß Chance meine Zügel ergriffen hatte und mich besorgt anblickte.
    »Was hast du, Junge? Du siehst aus, als hätte dich ein Geist erschreckt.«
    »Nein«, lachte ich, ein bißchen unsicher. »Nur ein verrückter Einfall, Bruder Chance.«
    »So hast du mich nicht mehr genannt, seitdem wir damals von hier fortgingen.«
    »Stimmt. Aber wir sind wieder hier, oder? Mach dir keine Sorgen, Chance. Mir geht es gut.« Wir übergaben die Pferde einem Bauern, der sie in den Stall führte, und gingen durch die schmale Tür neben der Küche. Das zu tun, war pure Gewohnheit, Gewohnheit auch, den Hut abzunehmen, hinter Chance den Korridor entlangzugehen, Gewohnheit, eine vertraute spöttische Stimme hinter mir zu hören.
    »Na, so was! Wenn das nicht Kochmütze und Zimperliesenpeter ist, der wieder mit uns zur Schule gehen will.«
    Ich blieb wie angewurzelt stehen, von diebischem Vergnügen erfüllt. Aha, Karl Schweinsgesicht war also immer noch hier. Natürlich war er noch immer hier, mit all den anderen Quälgeistern im Schlepptau. Er hatte mein Gesicht nicht gesehen. Langsam setzte ich den breitkrempigen Hut wieder auf den Kopf und drehte mich um. Ich sah,
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