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Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Titel: Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant
Autoren: Sheri S. Tepper
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wie sie sich im seitlichen Korridor drängten, die Münder feucht und offenstehend in der Vorfreude auf eine neuerliche Demütigung. Von ihrem Platz aus erblickten sie mich nur als Schatten. Ich schüttelte Chances Griff ab und schob mich in Richtung der Lampe, die stets an dieser Biegung an der Wand hing.
    »Ja, Karl«, flüsterte ich mit Dorns Stimme. »Es ist Peter, der wieder zur Schule kommen will, aber nicht mit dir …« Bei meinem letzten Wort trat ich ins Licht, daß sie meine Totenschädelmaske sahen. Ich hörte, wie Karl der Atem stockte, hörte den würgenden Ton, den er von sich gab, das einzige, was er noch fertigbrachte. Dann schossen alle wie der Blitz davon, jaulend wie getretene Welpen die Korridore entlang und auf den Dachboden hoch. Ich lachte leise.
    »Das war nicht nett von dir«, bemerkte Chance scheinheilig.
    »Aber, Chance!« Ich schlug gegen seinen Geldbeutel, in dem die Münzen der Kaufleute aufdringlich klingelten. »Jeder hat so seine kleine Schwächen, oder? Du hast mir schließlich geraten, als Nekromant zu reisen. Ich kann nichts dafür, wenn sich kleine Jungen darüber zu Tode erschrecken.« Mein Gefühl bittersüßer Nostalgie war dem freudiger Rache gewichen. Ab sofort würde Karl zweimal nachdenken, bevor er wieder einen kleineren Jungen schikanierte. Ich überlegte, wie ich die Lektion für ihn noch etwas vertiefen konnte, bevor ich abreiste.
    Um Mertyns Turmzimmer zu erreichen, mußten wir an den Schulräumen vorbei, den Zimmern der anderen Spielmeister. Spielmeister Gervaise traf uns auf dem Treppenabsatz vor seinem eigenen Klassenzimmer, und er erkannte mich sofort. Die Maske schien ihn nicht zu beeindrucken.
    »Peter, mein Junge! Mertyn sagte, daß du bald zu Besuch kommen würdest. Er ist unten im Garten und unterhält sich gerade mit einem Kaufmann. Komm doch herein und trink ein Glas Wein mit mir, während du auf ihn wartest. Komm herein, Chance. Ich habe hier etwas von deinem Lieblingswein. Spül dir damit den Staub der Straße herunter. Ich erinnere mich, daß wir immer etwas zu wenig davon hatten, als du noch bei uns warst. Dem ist jetzt auch noch so, doch nun bin ich es, der ihn trinkt.« Er führte uns durch den kalten Klassenraum, wo das Spielmodell in blauem Dunst schwamm, in sein eigenes Zimmer, das warm von der Sonne und dem Kaminfeuer war. »Brrrh.« Er schauderte, als er die Tür hinter sich schloß. »Je älter ich werde, umso schwerer fällt es mir, die Kälte des Spielmodells zu ertragen. Aber du kennst das ja … ihr Jungen habt davon alle Frostbeulen an euren Händen und im Gesicht gehabt.«
    Ich schauderte bei der Erinnerung – und aus Sympathie – und nahm das Weinglas, das er mir reichte. »Wir mußten immer mit dem Spielmodell spielen, wenn es draußen schneite, Meister Gervaise. Aber niemals im Sommer, wenn es heiß war.«
    »Ja, das scheint widersinnig, nicht wahr? Aber es stand natürlich in einem anderen Zusammenhang. Im Sommer ist es einfach zu schwierig, die Modelle kühl zu halten. Wir schließen sie unten im Eiskeller ein. In diesem Jahr wird es auch bald zu warm sein. Nicht wie im letzten Jahr, wo der Winter beinahe bis zur Jahresmitte dauerte.«
    Er schenkte sich Wein ein, bevor er sich ans Feuer setzte. »Nun erzähl doch mal, was du seit Bannerwell so getrieben hast. Mertyn hat mir alles berichtet, was dort passiert ist.« Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Schade um Mandor. Aber ich habe ihm nie getraut. Viel zu hübsch.«
    Ich drehte mein Glas in der Hand und beobachtete, wie der Wein im Kreis schwang und zu den Rändern hochstieg. »Ich habe eigentlich nicht viel getan.«
    »Keine Spiele?« Gervaise wirkte überrascht.
    »Nein, Meister. In der Leuchtenden Domäne werden nur wenig Spiele gespielt.«
    »Nun, das kommt davon, wenn man sich mit Zauberern abgibt. Ich sagte Mertyn, du solltest dich in der Welt umsehen, reisen, dein Talent ausprobieren. Aber es scheint, daß du das jetzt ja auch tust.« Er nickte und trank einen Schluck Wein. »Seltsam sind die Talente eines Zauberers. Eine alte Redewendung, weißt du. Ich habe niemals einen von ihnen gut gekannt. Kommt man mit Himaggery gut aus?«
    »Ja, Meister. Sehr gut. Er ist sehr offen. Sehr ehrlich.«
    »Ah.« Er legte einen Finger an seine Nase und zwinkerte. »Offenheit und Ehrlichkeit verdecken eine Menge Strategie, ohne Zweifel. Nun ja … Wer hätte vor einem Jahr noch gedacht, daß sich bei dir ein solches Talent wie Nekromantie herausbildet? Selten. Sehr selten. In den letzten
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