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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug
Autoren: Sheri S. Tepper
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waren Wutschreie und Schluchzer dasselbe, und beides wurde von ihnen gleich gut verstärkt und mit stillem Hohn dutzendfach aus allen Richtungen zu mir zurückgeschickt, bis ich der Sache überdrüssig wurde. Doch sogar während dieses Gefühlsausbruchs entwarf ein anderer, überlegt kalkulierender Teil meines Gehirns einen Plan, was ich als nächstes tun sollte und warum, ob diese oder jene Möglichkeit es wert sei, in Betracht gezogen zu werden. Als ich also damit aufhörte, zu meiner eigenen Genugtuung Leidenstöne von mir zu geben, waren die nächsten Schritte in meinem Kopf bereits geplant, fertig zur Ausführung.
    Windlow hatte von Geisterfiguren und Geistertalenten gesprochen. Es war offensichtlich, daß die Höhlen genügend Geister beherbergten, um eine ganze Armee aufzustellen, unter ihnen viele Talente, die auch in einer annehmbar großen Domäne verfügbar wären. Wenn Dorn diesen Talenten befehlen konnte, dann konnte ich es genausogut. Geister allein reichten aber möglicherweise nicht aus. In dem Beutel an meinem Gürtel warteten die anderen Talente darauf, ins Leben gerufen zu werden. Ich hätte Magier rufen können, tat es aber nicht. Seher? Warum? Was geschah, würde innerhalb einiger Stunden, einiger Minuten geschehen. Ich brauchte nicht mehr zu sehen als das, was ich mit eigenen Augen erblicken konnte. Dämonen? Grimpts kleines Talent reichte vollkommen für meine momentanen Bedürfnisse aus. Ebensowenig verschwendete ich Gedanken an Waffenträgerflüge oder Schildwächterfeuer. Nein. Geleitet von einem jugendlichen Gerechtigkeitsempfinden, einem Verlangen danach, wenigstens einmal ein eigenes Spiel zu gewinnen, beschloß ich, Mandor auf seinem eigenen Gebiet zu begegnen. Mit der linken Hand ergriff ich die kleine Schnitzfigur von Trandilar, der Ahnherrin aller Königinnen, Könige und Adligen.
    Sie strömte in mich hinein wie warmer Sonnenschein, eine sanfte Brise, leicht, unwiderstehlich, unabwendbar. Ihre Stimme glich rollenden Sternen, überirdisch, eine unendlich große Wohltat, die schwächere Seelen an sich band. Ich war Geliebter, Kind, Gefährte. Verzückung ergriff mich. Bewunderung wogte über mich, floß in mich hinein, bis ich es war, der geliebt wurde, dem die Welt zu Füßen lag, dem sie folgte, den sie bewunderte. Alle, alle würden mir folgen, wenn ich diese Betörung auf sie anwandte. Ein glucksendes Lachen ertönte, ein Seufzer der Befriedigung, nicht der müde Seufzer Dorns, sondern ein Seufzer, gesättigt mit Liebe, Liebe, Liebe. »Trandilar«, flüsterte ich ihren Namen voll Huldigung und Ehrerbietung.
    »Peter …«, antwortete die körperlose Stimme. O Barish hatte mehr vollbracht, als nur ein einfaches Muster in eine unbelebte Form zu zwingen, als er diese Spielfiguren schuf. Einen Augenblick lang konnte ich weder denken noch mich bewegen. In diesem Augenblick war ich irgendeine dritte Person, nicht ich, nicht Trandilar.
    Dann verging es, wie Dorn vergangen war, und nur das Wissen und das Talent dieses uralten Wesens blieben zurück. Nun fürchtete ich mich nicht mehr vor Mandors Gehilfen. Im Vergleich zu diesem hier war sein Talent mickrig, wirkungsvoll vielleicht bei Schweinehirten und Flückelmännern.
    Von diesem Augenblick an war ich nicht länger ein Kind. Ich ging die staubbedeckten Korridore zurück, wobei ich zuerst den Fußspuren folgte, die Seidenhand und ich am Ende unseres Weges zurückgelassen hatten, verließ mich dann auf die Erinnerung und mein Gespür, das mich in die Grabkammer führte, in der die verstorbenen Könige vor kurzem geweckt worden waren. Dort angekommen, tat ich genau das, was Dorn mir beigebracht hatte, hörte wieder die geisterhafte Stimme, die ins Leben zurückgerufen worden war: »Wer nähert sich, wer nähert sich, wer nähert sich …«
    Und antwortete ihr: »Einer, der dich ruft, o König, dich und deine Vorväter, deine Familie und deine Kinder, deine Gefolgsleute und deine Untergebenen, deine Waffenträger, Magier, Dämonen und Tragamore, deine Schildwächter und Portierer, kommt herbei, kommt herbei und hört meinen Befehl, erhebt euch und folgt meinem Willen.«
    Der König antwortete mir, ein kleiner kalter Atemzug in meinem Ohr, ein schwaches Rufen: »Beginnet Euer Spiel, o Geist. Beginnet Euer Spiel, und wir werden uns erheben und Euch folgen …«

 
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Herausforderung und Spiel
     
    Die äußeren Hänge des Malplacegebirges ziehen sich vom Gipfel hinab nach Osten und Norden, mit einer Einkerbung, wo der Fluß Banner in
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