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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug
Autoren: Sheri S. Tepper
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Burg versammelten Spieler wie Wasser heraus, diejenigen, die des Fliegens mächtig waren, schossen über den Fluß, andere sprangen in den Fluß, um sich von seinem Wasser nach Norden tragen zu lassen, wo sie versuchten, sich ans flache Ufer zu kämpfen und über die Ebene weiterzufliehen. Im Burghof war ein Kampf ausgebrochen; Spieler aus Bannerwell kämpften gegen Spieler aus der Hohen Domäne, rote Federbüsche gegen violette. Die Roten überwältigten die Purpurnen, rannten zu den Ketten und rissen daran, damit die Zugbrücke herabfiele. Dann flohen die rotgekleideten Anhänger des Hochkönigs aus der Burg, über die Brücke und auf die mit hohem Gras bewachsene Ebene zu den roten Zelten, die am nördlichen Berghang errichtet waren, rannten wie besessen, als böte ihnen dieser dünne Stoff Sicherheit.
    Himaggery winkte wieder. Abermals flogen Blitze in den Spiegel hinein und wurden weitergeleitet, diesmal gegen die roten Zelte, die aufloderten und verschwanden. Die fliehenden Spieler wandten sich um, stolperten durcheinander; einige rannten nach Westen oder zum Waldrand, andere wiederum zurück, um sich in den Fluß zu stürzen. Es dauerte nicht lange, bis Himaggerys Männer die Körper derjenigen durch die ›Wunde‹ treiben sahen, die bei dem Versuch, den Banner entlangzuschwimmen, ertrunken waren, aufgereiht in durchweichtem Heldenglanz, tot.
    »Prionde?« flüsterte Windlow. »War er auch unter den Fliehenden?«
    »Das weiß keiner, alter Freund«, erwiderte Himaggery. »Hätten wir das Feuer einstellen sollen, um einen einzigen König zu retten?«
    »Nein«, sagte Windlow weinend. »Nein. Unsere Entscheidung stand fest. So rasch und gründlich wie möglich. Kein sich ewig hinziehendes Spiel, bei dem die Unterlegenen Hoffnung schöpfen und sich weigern würden, sich rechtzeitig zu ergeben. Nein. Bringt es zu Ende, Himaggery. Rasch.«
    Zwischen zusammengepreßten Zähnen antwortete dieser: »Ich versuche es.«
     
    Noch einmal hörte die Bombardierung auf, und Himaggery beobachtete wieder, was unten geschah. In der Burg regte sich nichts. Kein einziger Wächter stand mehr auf der Brustwehr.
    »Wie lange noch?« fragte Himaggery.
    Windlow antwortete: »Bald. Als ich es GESEHEN habe, stand die Sonne beinahe an der gleichen Stelle am Himmel wie jetzt. Sie werden bald herauskommen. Wartet. Zerstört nicht weiter …«
    So warteten sie ab. Mertyn wollte wissen, worauf, und Himaggery erwiderte: »Auf die Erfüllung einer Vorhersehung, König. Windlow hat diesen Ort, diese Zeit GESEHEN. Euer thalan führt etwas im Schilde. Seht Ihr den Eingang dort in jener Mauer?«
    Er meinte den Eingang zu dem Platz der Gräber, das zeremonielle Tor zu den Höhlen von Bannerwell. Es öffnete sich innerhalb der Burgmauern. Man konnte durch die zertrümmerten Außenmauern vom Deich aus sehen, wie die Wächter der Gräber ins Freie flohen, flohen in Entsetzen vor etwas, das sie verfolgte. Und hinter diesen fliehenden Wächtern erschien eine Horde, ein Aufgebot, eine Geisterdomäne, quoll aus den Gräbern und Grüften heraus. Die Katakomben gaben ihre Toten frei, ein Heer aus Staub, Träumen, ungestorbenen Erinnerungen; Bataillone aus Knochen, Regimenter aus Lumpen und Rost, Speerspitzen, vom Zahn der Zeit zerfressen, Schwerter, zernagt vom Alter, Körper, durch die der Wind fegte, gelenkt von Schatten, taumelnd, klappernd, stöhnend, seufzend wie der Wind, ein entsetzlicher Ruf, der wie aus einem Mund ertönte: »Wir kommen, wir kommen, wir kommen … Rache zu nehmen an den Lebenden, wir, die wir nicht länger lebendig sind …«
    Sie quollen durch das Tor auf den Burghof wie ein wandernder Schatten, drangen durch das geschlossene große Eichentor des Hauptgebäudes, als wäre es aus Gaze. Die Wächter, die die Höhlen bewacht hatten, flohen über die eingestürzten Burgmauern geradewegs in Himaggerys Hand. Ein sterblicher Feind konnte sie nicht mehr schrecken, nachdem sie die Toten hatten marschieren sehen. Ich ging hinter den Toten. Man konnte sie nicht führen, nur senden, und so hatte ich sie in das Burggebäude gesandt und wartete nun draußen auf dem Burghof auf sie. Sie würden bald zurückkommen, aber nicht allein. Ich hatte es ihnen befohlen.
    Ich fühlte die Augen von Himaggerys Männern im Rücken. Obwohl ich mich nicht umwandte, wußte ich, daß sie da waren. Ich hatte sie gesehen, als die Tore aufschwangen, hatte den Riß in der Burgmauer gesehen und wußte, daß andere ihre Züge ebenso gemacht hatten wie ich selbst,
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