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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz
Autoren: Joerg Kastner
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ich.
    »Dafür haben wir von dort nach allen Seiten eine gu-te Sicht«, widersprach Kalfan. »Mit unseren Gewehren könnten wir uns zwischen den Felsen gut verteidigen.
    Der Stamm, zu dem die Männer aus dem Tempel gehö-
    ren, scheint von Feuerwaffen nicht viel zu halten oder sich keine leisten zu können. Das ist ein wichtiger Vorteil für uns.«

    »Sie sind der Experte in militärischen Dingen, Sergeant«, sagte mein Onkel. »Ich verlasse mich da ganz auf Ihr Urteil.«
    Wir gingen die Düne auf der anderen Seite hinunter und stellten zu unserer Verärgerung fest, daß Abul nicht nur einen Esel, sondern auch zwei Wasserschläuche mitgenommen hatte. Das sollte für seinen Bedarf mehr als genug sein, bis er Kairo erreichte. Unser Was-servorrat allerdings war dadurch bedenklich geschrumpft.
    »Dieser arabische Hurensohn!« platzte es aus Kalfan heraus. »Wir haben einen Schwerverwundeten zu versorgen, und der vermaledeite alte Bock klaut uns das lebenswichtige Wasser! Wenn ich den zu fassen kriege, zerquetsche ich ihn wie eine Laus!«
    Die zornige Grimasse, die der Sergeant bei diesen Worten schnitt, ließ an der Ernsthaftigkeit seiner Drohung keinen Zweifel zu.
    »Den Teil unserer Ausrüstung, den wir für die Aus-grabungen benötigen, lassen wir zurück«, sagte mein Onkel. »So kommen wir schneller vorwärts, und die Esel müssen sich weniger anstrengen. Wir werden ohnehin hierher zurückkehren.«
    »Und wenn diese … Ritter oder was auch immer dann noch hier sind?« fragte ich.
    Onkel Jean setzte eine grimmige Miene auf. »Dann sind wir vorbereitet und haben mehr Soldaten an unserer Seite als heute.«
    Als wir zu den anderen zurückkehrten, wurde der Verwundete, ein rotgesichtiger Bauernsohn namens Gaspard, von seinen Kameraden versorgt. Sie versuchten, die tiefe Wunde, die wohl eine Schwertklinge in seine rechte Seite geschlagen hatte, zu reinigen. Aber die groben Soldatenhände setzten dem armen Gaspard gehörig zu, das verrieten sein schmerzverzerrtes Gesicht und die dumpfen Laute, die er stoßweise hervorbrachte.
    Da regte sich die Frau, die selbst einige kleinere Verletzungen davongetragen hatte, nahm einem der Soldaten den feuchten Lappen aus der Hand und fuhr fort, die Wunde zu reinigen.
    Ihre Berührungen waren ungleich sanfter, und sofort entspannte sich der Verwundete. Am Ende legte sie ihm einen Verband an, und es war offensichtlich, daß sie das nicht zum ersten Mal tat.
    »Danke«, sagte Gaspard, und die Frau schenkte ihm ein Lächeln.
    Mir war ein silberner Anhänger aufgefallen, den sie an einer feingliedrigen, ebenfalls silbernen Kette um den Hals trug. Ich beugte mich vor und hielt den An-hänger fest, bevor sie es verhindern konnte. Er hatte eine runde Form, war ungefähr handtellergroß und wies eine Gravur aus arabischen Schriftzeichen auf.
    Links und rechts davon war jeweils eine Rose eingraviert.
    Aber auch ohne diese Rosen hätte das Arabischstu-dium, das ich betrieben hatte, seit ich von unserer Expedition nach Ägypten wußte, ausgereicht, um die Schriftzeichen zu entziffern. Dort stand Ourida , das arabische Wort für Rose. Onkel Jean, der sich im Arabischen besser auskannte als ich, bestätigte das.
    »Ourida«, sagte ich gedehnt und blickte in ihre unergründlichen Augen. »Ist das dein Name?«
    Als sie nicht antwortete, wiederholte ich die Frage in meinem gewiß sehr unzulänglichen Arabisch. Doch in den dunklen Augen leuchtete es kurz auf, und sie öffnete die vollen, geschwungenen Lippen.
    »Ourida.«
    Mehr als dieses eine Wort sagte sie nicht. Aber ich schloß daraus, daß es tatsächlich ihr Name war. Es war ein arabisches Wort, und sie hatte es gesagt, nachdem ich auf arabisch zu ihr gesprochen hatte. War das Arabische also Ouridas Muttersprache? Vieles deutete darauf hin, auch ihre Gesichtszüge und ihre Hautfarbe, die um einiges dunkler war als die meinige, doch in mir blieben Zweifel. Nicht nur im Fackellicht, das den unterirdischen Altarraum erleuchtet hatte, auch hier im hellen Schein der Sonne glänzte ihr Haar wie dunkles Kupfer, was ich bei einheimischen Frauen noch nie gesehen hatte. Ourida blieb ein Rätsel – wie alles, was uns im Tempel widerfahren war.
    Nachdem alle Wunden versorgt waren, bereiteten wir unseren Aufbruch vor. Während die Mehrzahl der Esel unsere Ausrüstung und Verpflegung trug, wurden von meinem Onkel zwei als Reittiere für Ourida und Gaspard bestimmt. Der verletzte Grenadier wurde von seinen Kameraden auf dem Eselsrücken festgebunden, damit er
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