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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz
Autoren: Joerg Kastner
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eingebracht haben als Schmutz, Schweiß und Todesgefahr.«
    »Das siehst du bei weitem zu düster«, widersprach mein Onkel. »Vergiß nicht den Tempel, den wir entdeckt haben, die liebreizende Ourida und das hier.«
    Ich hörte, wie er etwas Schweres auf den Tisch legte, und öffnete die Augen wieder. Es war ein länglicher, in ein großes Tuch eingeschlagener Gegenstand, den er nicht mit unserem übrigen Gepäck Nafi anvertraut, sondern mit ins Haus genommen hatte. Als er das Tuch entfernte, erkannte ich die mittelalterliche Waffe, die er im Tempel erbeutet und mit deren Hilfe er mir das Leben gerettet hatte.
    »Das Schwert!« staunte ich. »Ich habe gar nicht mehr daran gedacht, daß Sie es bei sich haben, Onkel.«
    Die Finger meines Onkels strichen langsam über die breite Klinge. »Der Beweis dafür, daß wir uns die seltsame Geschichte nicht bloß eingebildet haben. Eine solide Arbeit und aufschlußreich dazu.«
    »Wie meinen Sie das?« fragte ich und beugte mich vor, um die Waffe genauer zu betrachten.
    »Zweischneidige Schwerter mit nußförmigem Knauf wie dieses wurden im Mittelalter verwendet, im zwölften oder dreizehnten Jahrhundert.«
    »So alt ist es?«

    »Nein, dazu ist es zu gut erhalten. Aber wer immer es auch geschmiedet hat, ihm haben zweifellos Schwerter aus der genannten Zeit als Vorbild gedient. Besonders interessant ist das hier!«
    Er wies auf ein hell schimmerndes Kreuz, das eine Seite des Knaufs schmückte. Dann drehte er das Schwert um. Auch auf der anderen Knaufseite war ein Kreuz eingraviert, hier allerdings von rötlicher Färbung.
    »Ein weißes und ein rotes Kreuz!« stieß ich aufgeregt hervor. »Wie auf den Mänteln dieser Ritter – oder wie man sie bezeichnen soll.«
    »Laß uns ruhig von Rittern sprechen, Bastien. Offenbar orientieren sich diese Männer, was ihre Kleidung und Bewaffnung angeht, an den Kreuzrittern, die einst in dieses Land kamen.«
    »Aber wozu der Mummenschanz?«
    »Ich würde nicht von Mummenschanz sprechen.
    Dahinter steckt mehr, etwas sehr Gefährliches, wie wir am eigenen Leib erfahren haben. Leider wissen wir zu wenig, um die Frage nach dem Warum auch nur ansatzweise beantworten zu können. Wäre sie nicht so verschlossen, könnte Ourida uns gewiß weiterhelfen.«
    Mein Onkel ging zum Bücherregal, zog einen schweren Band hervor und legte ihn neben das Schwert. Es war ein bebildertes Werk über das Mittelalter, in dem ich selbst auch schon gelesen hatte. Zielstrebig schlug Onkel Jean den Teil auf, der sich mit den Kreuzfahrten beschäftigte. »Hm«, brummte er nach kurzem, kon-zentriertem Lesen. »Das hilft uns auch nicht weiter. Die Kreuzfahrer trugen die unterschiedlichsten Gewänder, auch die Angehörigen religiöser Ritterorden: weiß mit rotem Kreuz die Templer, weiß mit schwarzem Kreuz die vom Deutschen Orden, weiß mit rotem Kreuz und rotem Schwert die Schwertbrüder, schwarz mit weißem Kreuz die Johanniter. Aber hier steht nichts von schwarz-weißen Mänteln oder von einer Vereinigung, die sowohl das rote als auch das weiße Kreuz zu ihrem Zeichen erhob. Es bleibt ein Rätsel, das …«
    Ein lautes Krachen, unzweifelhaft ein Schuß, schnitt ihm das Wort ab.
    »Das kam von vorn!« rief ich, sprang auf und eilte an das Fenster, das zur Straße hinausging.
    Onkel Jean trat neben mich, und wir beobachteten einen Aufruhr vor dem Haus, das unserem direkt gegenüberlag. Dort wohnte ein ägyptischer Gelehrter, der sehr zurückgezogen lebte und von dem wir nicht viel mehr wußten als den Namen: Maruf ibn Saad. Ein einziges Mal hatte ich einen flüchtigen Blick auf ihn werfen können, als er durch seinen Garten spazierte: ein hochgewachsener, schlanker, sehr würdevoll wirkender Mann mittleren Alters. Vor seiner Haustür drängten sich zehn bis fünfzehn Personen, die in eine lautstarke Auseinandersetzung verwickelt waren, Ägypter, vermutlich Bedienstete von Maruf ibn Saad, und französische Soldaten in der Uniform der leichten Infanterie.
    »Das gefällt mir nicht«, knurrte mein Onkel und war auch schon auf dem Weg nach draußen.
    Ich folgte ihm und kam dazu, als Onkel Jean den Anführer der Soldaten, einen schlecht rasierten Korporal in schmutziger Uniform, zur Rede stellte.
    »Was soll der Aufstand, Korporal? Wer hat hier geschossen?«
    Der Korporal maß meinen Onkel mit einem abschätzenden Blick. »Einer meiner Männer. Er hat sich gegen einen dieser stinkenden Kameltreiber verteidigt, als der handgreiflich werden wollte.«
    Jetzt erst bemerkte ich
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