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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz
Autoren: Joerg Kastner
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lächelte. »Schon gut, Bastien. Dieses geheimnisvolle Land läßt uns nicht unberührt, und das, was wir in dem Tempel erlebt haben, tut ein übriges.
    Da braucht es dich nicht wunderzunehmen, wenn deine Sinne überspannt sind. Versuch, noch ein wenig zu schlafen! Die Nacht ist bald vorüber.«
    Ich wollte seinen Rat beherzigen und legte mich wieder hin, fand aber keinen Schlaf. Unruhig wälzte ich mich hin und her. Nach einer Weile hatte ich das Ge-fühl, beobachtet zu werden, und schlug die Augen auf.
    Für einen kurzen Moment kreuzte mein Blick den der geheimnisvollen Wüstenrose.
    Ja, auch Ourida war wach und betrachtete mich offenbar schon eine gewisse Zeit. Jetzt aber schloß sie die Augen rasch, vielleicht in der Annahme, ich hätte ihren Blick nicht bemerkt.
    Sollte ich mich geschmeichelt fühlen? Wohl kaum, denn etwas Eigenartiges hatte in ihrem Blick gelegen –
    Überraschung, vielleicht auch Entsetzen.

3. KAPITEL
    In Kairo
    m Nachmittag des übernächsten Tages erreich-A ten wir Kairo, ohne ein weiteres Mal in Gefahr geraten zu sein. Zwar hatten wir am späten Vormittag hinter uns eine Staubwolke bemerkt und schemenhaft auch Reiter erkannt, als wir durch das Fernrohr meines Onkels sahen. Aber die Reiter hatten sich uns nicht genähert. Unmöglich zu sagen, ob es die Ritter aus dem Tempel gewesen waren oder zufällig unseren Weg kreuzende Beduinen.
    Das zurückliegende Abenteuer trat in den Hinter-grund, sobald uns der Trubel in der großen Stadt am Nil umbrandete. Überall in den Außenbezirken waren französische Soldaten mit Schanzarbeiten beschäftigt.
    Sie rissen ganze Gebäude ein, um an ihrer Stelle Ver-teidigungsbollwerke zu errichten oder einfach nur ein freies Schußfeld für die Artillerie zu gewinnen. Zwar hatte unsere Armee das Mameluckenheer in der Schlacht bei den Pyramiden besiegt, aber nach dem Untergang unserer Flotte mußten wir besondere Vorsicht walten lassen. Der umsichtige General Bonaparte stellte sich, wie mein Onkel mir berichtet hatte, darauf ein, daß die Engländer ein Expeditionskorps anlande-ten, um Kairo zu erobern.
    Die Stadt hatte sich in den zwei Monaten seit unserem Einmarsch stark verändert und deutlich europä-

    ische, um nicht zu sagen französische, Züge angenommen. Überall hatten Restaurants und Kaffeehäuser eröffnet, die sich mit Interieur und Speisekarte dem abendländischen Geschmack anpaßten. Selbst die europäische Mode wurde inzwischen von den Einheimischen – besonders den weiblichen – nachgeahmt, nicht stets zur Freude der Männer, die ihre Frauen nur un-gern unverschleiert durch die Straßen flanieren sahen.
    Sergeant Kalfan begab sich mit den meisten seiner Soldaten zum Lager seiner Kompanie, weil der heftig fiebernde Gaspard dringend ärztlicher Hilfe bedurfte.
    Zwei Grenadiere begleiteten meinen Onkel, die noch immer schweigsame Wüstenrose und mich zu unserem von Palmen beschatteten Haus in der Nähe der Al-Hussein-Moschee. Die ursprünglichen Bewohner waren vor dem französischen Einmarsch geflohen, und so hatten Onkel Jean und ich hier Quartier bezogen. Empfangen wurden wir von dem alten Malik, seiner Frau Zeineb und beider Enkelsohn Nafi, unseren Bediensteten.
    Malik, der an der Haustür stand, zog den zerbeulten Zweispitz, den er irgendwo aufgelesen hatte und seitdem fast unablässig trug, wohl um uns Franken, wie die Araber uns nannten, seinen Respekt zu erweisen.
    Maliks Name bedeutete nicht weniger als »König«, und er trug den traurigen Hut wahrhaftig so würdevoll wie eine Krone. Er verbeugte sich in einer Geste, die europäische Höflichkeit nachahmte, aber sehr ungelenk wirkte, und begrüßte uns in dem eigentümlichen Gemisch aus französischen und arabischen Wörtern, das er sich angeeignet hatte.
    Nafi, ein vielleicht zwölf- oder dreizehnjähriger Knabe von flinkem Wesen und mit stets wachen Augen, kümmerte sich um unsere Esel, während wir anderen ins Haus gingen. Auf Onkel Jeans Geheiß brachte Zeineb unsere Begleiterin in ein Gästezimmer im rückwärtigen Teil des Hauses. Mein Onkel und ich ließen uns in der Bibliothek nieder und mußten nicht lange darauf warten, daß Malik uns zwei Karaffen mit Wasser und Wein brachte. Onkel Jean wies ihn an, auch den beiden Grenadieren, die vor dem Haus Wache hielten, eine Erfrischung zu bringen.
    Ich lehnte mich in einem der alten Sessel zurück, schloß die Augen und labte mich an der kühlen Mischung aus Wasser und Wein. »Das tut gut nach Tagen in der Wüste, die uns nichts
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