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Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Titel: Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]
Autoren: Liane Sons
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selbstverständlich noch offen.«
    »Wo ist dieser Wechselbalg?« Derea sprang auf die Füße und rieb sich zornig sein Kinn, wo ein grünblauer Fleck deutlich zu sehen war.
    »Wechselbalg? Meinst du etwa Rhonan damit?«
    »Wen wohl sonst?«
    Der Gelehrte wurde immer verwirrter. »Wir vermuten, in der Höhle. Caitlin ist schon auf dem Weg dorthin.«
    Er warf dem Hauptmann einen prüfenden Blick zu. »Geht’s wieder? Ich würde ihr nämlich gern folgen. Wir können später reden.«
    »Ich komme mit.« Derea verfluchte sich für seine vertrauensselige Unbekümmertheit. »Dieser verdammte ehrlose Gossenkämpfer kann was erleben. Den mach ich fertig, aber so richtig fertig, und wenn es das Letzte ist, was ich tue«, fluchte er wütend.
    Gideon wollte ihn gerade fragen, was er denn nur meinte, als sie Caitlin mit aufgeregter Stimme unverständlich herumschreien hörten.
    Sofort beschleunigten sie ihre Schritte. Kurze Zeit später verstanden sie ihre gekreischten Worte. »Lass mich durch! Lass mich sofort durch, du elende Bestie!«
    »Bei allen Göttern! Was geht da vor?«, würgte Gideon hervor.
    Jetzt rannten sie beide, und Derea zog kampfbereit seine Schwerter. Nur wenig später sahen sie die Priesterin. Sie kniete mitten auf dem Weg, hatte ihr Gesicht in den Händen vergraben und schluchzte herzzerreißend. Sonst war nichts und niemand zu sehen.
    Caitlin hatte ihre Schritte gehört und wandte den Kopf. Sie sah todunglücklich aus, und Tränen liefen ihr unablässig übers Gesicht.
    Mit bebender Stimme erklärte sie: »Dala versperrt den Weg mit einem Zauber. Ich kann ihn nicht brechen. Er ist zu stark für mich. Gideon, versuch du es bitte. Rede mit ihr! Überzeuge sie! Bitte! Sie muss uns zu Rhonan lassen. Sie muss einfach.«
    Bevor der ihrer Aufforderung Folge leisten konnte, erklang Dalas Stimme. »Geht, Kinder! Ich weiß nicht, was mit der Höhle geschieht, wenn die Siegel vernichtet werden und ihre unsterblichen Trägerinnen sterben. Zu viele Opfer habe ich schon in Kauf genommen, um jetzt auch noch mit anzusehen, wie ihr in den Tod geht. Ihr könnt den Lauf der Dinge nicht mehr ändern. Es ist längst zu spät. Geht! Verlasst den Wolkenpfad!«
    »Nein!«, kreischte die Prinzessin wild. »Du dumme Kuh weißt doch gar nicht, worum es geht. Du willst für alle Ewigkeit allein in deinem Eis leben, aber ich will an Rhonans Seite weiterleben oder mit ihm zusammen sterben. Lass mich endlich durch!«
    »Du irrst, Caitlin. Ich erwarte mit Freude meinen Tod. Meine Aufgabe ist nur noch, dich und euer Kind zu schützen, wie es mein Neffe gewollt hätte.«
    »Sag es mir! Sag es mir endlich! Wird Rhonan sterben?« Caitlins Stimme war nur ein Hauch, und immer mehr Tränen rannen über ihr Gesicht. Nichts von der selbstbewussten und selbstverliebten Priesterin war noch zu erkennen. Wie ein Häufchen Elend kauerte sie am Boden und zitterte am ganzen Körper.
    »Ich wünschte, ich könnte dir eine Antwort geben, aber ich kenne sie nicht, mein Kind. Ich kann weder sehen noch spüren, was in der Höhle geschieht.«
    »Bitte, lass mich zu ihm. Ich will nicht zurückbleiben … ich kann nicht. Gleichgültig, was geschieht, ich gehöre zu ihm. Bitte, Dala, versteh doch!«
    »Ich weiß nicht, was geschieht, aber eines weiß ich ganz genau: Mein Neffe würde es mir nie verzeihen, wenn ich euch jetzt weitergehen ließe. Solange ich noch die Kraft dazu habe, werde ich euch daher daran hindern. Wenn ich sie nicht mehr habe, ist geschehen, was geschehen musste.«
    Die Prinzessin schluchzte herzzerreißend, ließ ihren Kopf auf die Knie fallen und betete jetzt inbrünstig zu den Göttern, ihren Gatten zu beschützen.
    Dalas Stimme hallte erneut durch den Pfad. »Gideon, zerstöre mein Standbild, lösche meinen Namen! Aber vernichte nicht die Schriften! Zieht eure Lehren daraus, aber verherrlicht sie nicht mehr. Ich weiß alles, aber mein Wissen führte nur ins Nichts. Sei weiser als ich und wende dein Wissen auch weiterhin zum Wohle deiner Mitmenschen an! Suche nicht länger nach der vollkommenen Wahrheit, sondern lass Raum für Geheimnisse und Rätsel. Glaub mir, wenn du alles weißt, findest du dich nur in der Leere wieder. Wissen bedeutet nichts, wenn es nicht dem Leben dient.«
    »Wer spricht da die ganze Zeit?«, fragte Derea irritiert und sah wild um sich herum. »Was hat das alles zu bedeuten?«
    Gideon starrte mit nassen Augen den Pfad hinauf. »Das war Dala, eine der unsterblichen Schwestern. Ich erklär dir das alles ein anderes
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