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Das verwunschene Haus

Das verwunschene Haus

Titel: Das verwunschene Haus
Autoren: Pierre Bellemare
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Tür eine Tragödie abspielt. Die Behörden schalten sich ein und bringen Aufrufe im Fernsehen, um ihre Mitbürger zu einem Minimum an Zivilcourage zu bewegen.
    Was William Dray betrifft, so setzt dieser seine Ermittlungen fort. Den Zeugenaussagen zufolge handelt es sich bei dem Fahrzeug des Mörders um einen weißen Wagen der Marke Valiant, und weiße Valiants, die in New York zugelassen sind und einem Schwarzen gehören, sind nicht sehr zahlreich. Tagelang werden sowohl die Stadt als auch der Staat New York daraufhin überprüft, doch die Suche verläuft ergebnislos. William Dray nimmt inzwischen an, daß der Mörder in einen anderen Bundesstaat oder sogar ins Ausland geflüchtet sei. Die Bundespolizei sucht daraufhin flächendeckend überall in den USA nach ihm, und nach zwei Wochen wird ein gewisser David Stewart festgenommen, als er versucht, die mexikanische Grenze zu passieren. Nach einem langen Verhör gesteht er, Kitty Holden getötet zu haben.
    Eine Woche später sieht sich Inspektor Dray dem Mörder von der Austin Street gegenüber. Der Mann ist ohne großes Interesse für ihn; er wirkt eher beschränkt und ziemlich unsicher. Aber es ist nicht die Persönlichkeit des Mörders, die William Dray interessiert, es ist vielmehr das, was er ihm erzählt.
    Während Dray das offizielle Geständnis aufnimmt, spürt er, wie erneut Wut und Empörung in ihm aufsteigen, so wie einige Wochen zuvor, als er der Reihe nach die Hausnummern dieser so ruhigen und »wohlanständigen« Straße von New York abgeklappert hatte...
    Und dies ist das Geständnis, das David Stewart, der Mörder Kitty Holdens, dem Polizeiinspektor William Dray zu Protokoll gibt:
    »Ganz plötzlich war es über mich gekommen. Ich hatte Lust zu töten, es war einfach stärker als ich. Ich fuhr mit dem Auto durch die Straßen, auf der Suche nach einem Opfer. Da sah ich, wie eine Frau ihren Wagen in Kew Gardens parkte. Ich hielt an und packte sie. Ich zog mein Messer hervor und begann auf sie einzustechen. In dem Moment tauchte ein Bursche an einem der Fenster auf und schrie: >Lassen Sie die Frau los< oder so ähnlich. Ich bekam Angst, weil ich dachte, die Polizei würde kommen. Also ließ ich die Frau wieder los. Doch dann verschwand der Bursche von dem Fenster, und gleich darauf machte er das Licht aus. Da bin ich dem Mädchen nachgerannt, und sobald ich sie erwischte, stach ich erneut auf sie ein. Anschließend stieg ich wieder in meinen Wagen, doch unterwegs dachte ich plötzlich, daß sie vielleicht noch nicht tot war, und deshalb wendete ich und fuhr zurück. Mir war inzwischen klar, daß die Leute vor den Fenstern sich nicht darum kümmerten und daß sie nichts unternehmen würden. Da habe ich sie dann endgültig erledigt, das ist alles.«
    Ja, das war alles... David Stewart wurde zum Tode verurteilt, später begnadigt, und nach und nach wurde die Angelegenheit vergessen. Von jedem, nur nicht von William Dray. Wenn er Nachtdienst hat, hören seine Kollegen ihn oft murmeln, während er das stumme Telefon anstarrt: »Warum ruft bloß keiner von ihnen an?«
     

Der Doppelgänger
    Kevin O’Neil läuft seit etwa zehn Minuten blindlings vor sich hin. Er weiß nicht, wohin er rennt, und er weiß nicht einmal, wo er sich befindet. Auf jeden Fall muß er das Zentrum von Dublin längst hinter sich gelassen haben. Er hat eine unbestimmte Ahnung, daß er auf den Hafen zusteuert. In dieser Nacht des 20. Januar 1930 tobt ein richtiger Schneesturm, und die Sichtweite beträgt nicht mehr als zehn Meter. Kevin O’Neil bleibt stehen, um Atem zu schöpfen. Er lehnt sich an eine Straßenlaterne. Mit seinen fünfundvierzig Jahren ist er noch immer ein sehr gutaussehender Mann und eine sehr vornehme Erscheinung. Er hat eine schlanke Figur, blondes Haar, ein langes, fein geschnittenes Gesicht, und sein Abendanzug mit dem schwarzen Umhang wirkt äußerst elegant.
    Nachdem er nochmals die eiskalte Nachtluft tief in sich eingesogen hat, läuft er weiter. Das einzig Wichtige ist, jenem anderen zu entkommen, dem er sich beim Verlassen des Theaters plötzlich gegenübergesehen hatte.
    Als er weitere fünf Minuten gerannt ist, bleibt er erneut stehen, keuchend vor Atemlosigkeit. Er dreht sich um... Ist er hinter ihm? Aber wie soll er das wissen bei diesem Schneetreiben, das dichter ist als Nebel? In einigen Metern Entfernung sieht er jetzt ein erleuchtetes kleines Haus vor sich, aus dem dumpfe Musiklaute zu ihm dringen. Das ist vielleicht seine Rettung!
    Kevin O'Neil stößt
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