Das Vermächtnis von Erdsee
sickerte und dass unter dieser Schicht eine Höhle lag, deren Wände dünn waren, purpurne, bröckelige Schichten von Zinnober... Er gab kein Zeichen. Er dachte, vielleicht könnte die unterirdische Landkarte, die in seinem Kopf Form annahm, zu einem guten Zweck verwendet werden, wenn er herausfände, wie dies geschehen könnte.
Aber nach etwa zehn Tagen sagte Licky: »Meister Gelluk kommt. Wenn kein Erz für ihn da ist, wird er sich wohl einen anderen Wünschelrutengänger suchen.«
Grübelnd ging Otter eine Meile weiter; dann machte er kehrt und führte Licky zu einem Hügel, unweit vom Ende der alten Stollen. Dort nickte er und stampfte mit dem Fuß auf.
Wieder in seiner Zelle, als Licky ihn losband und seinen Knebel herausnahm, sagte er: »Dort ist etwas Erz. Ihr kommt hin, wenn ihr von dem alten Stollen geradeaus weitergrabt, vielleicht zwanzig Fuß.«
»Eine schöne Menge davon?«
Otter schüttelte den Kopf.
»Gerade genug, um weiterzumachen, hm?«
Otter schwieg.
»Soll mir recht sein«, brummte Licky.
Zwei Tage später, als sie den alten Schacht wieder geöffnet und angefangen hatten, in Richtung auf das Erzvorkommen zu graben, traf der Magier ein. Licky hatte Otter im Freien in der Sonne sitzen lassen statt in dem Raum in den Hütten. Otter war ihm dankbar dafür. Mit gebundenen Händen und geknebeltem Mund konnte er sich natürlich nicht wirklich wohl fühlen, aber Wind und Sonnenschein allein waren schon ein großer Segen. Und er konnte tief durchatmen und vor sich hindösen, ohne dass ihm im Traum Nase und Mund mit Erde vollgestopft wurden - der einzige Traum, den er jetzt hatte, nachts in seiner Zelle.
Er saß bei den Hütten und war halb eingeschlafen;
der Geruch der Holzscheite, die beim Turm aufgestapelt waren, weckte Erinnerungen an zu Hause, an den Duft von frischem Holz, wenn der Hobel über eine silbrige Eichenfläche glitt. Ein Geräusch oder eine Bewegung schreckte ihn auf. Er blickte auf und sah den Magier, der bedrohlich und groß über ihm stand.
Gelluk trug phantastische Kleider, wie es viele seines Schlages damals taten. Ein langes Gewand aus scharlachroter Lorbanery-Seide, bestickt mit goldenen und schwarzen Runen und Symbolen, und ein breitkrempiger, hoher und spitzer Hut machten ihn größer, als er war. Otter hätte ihn auch ohne diese Kleider erkannt. Er kannte die Hand, die seine Zauberbande gewirkt und ihm seine Nächte vergällt hatte, den ätzenden Geschmack und den würgenden Griff dieser Macht.
»Ich glaube, ich habe meinen kleinen Finder gefunden«, sagte Gelluk. Seine Stimme war tief und sanft, wie der Klang einer Viola. »In der Sonne dösen, wie einer, der sein Werk getan hat. Dann hast du sie also zum Graben zur Roten Mutter geschickt, stimmt's? Hast du die Rote Mutter schon gekannt, bevor du hierher gekamst? Bist du ein Höfling des Königs? Hier sind keine Stricke und Knebel nötig.« Und wie er da stand, befreite er mit einem Schnippen der Finger Otters Handgelenke und das knebelnde Tuch fiel von ihm ab.
»Ich könnte dir beibringen, wie du das selbst machen kannst«, sagte der Zauberer lächelnd und beobachtete Otter, wie er sich die schmerzenden Gelenke rieb, sie drehte und wand und die Lippen bewegte, die stundenlang gegen die Zähne gepresst gewesen waren. »Hund hat mir erzählt, dass du ein viel versprechender Kerl bist und es bei richtiger Anleitung weit bringen kannst. Wenn du den Hof des Königs besuchen möchtest, kann ich dich hinführen. Aber du weißt vielleicht nicht, von welchem König ich rede.«
In der Tat war Otter unsicher, ob er den Piraten meinte oder das Quecksilber, aber auf gut Glück wies er mit einer raschen Handbewegung auf den steinernen Turm.
Die Augen des Zauberers wurden schmal und sein Lächeln vertiefte sich.
»Weißt du seinen Namen?«
»Merkurwasser«, sagte Otter.
»So nennen es die Uneingeweihten - auch Quecksilber oder silbernes Wasser. Aber jene, die ihm ergeben sind, nennen es König oder Allkönig und Leib des Mondes.« Sein wohlwollender und forschender Blick glitt von Otter zum Turm und dann wieder zurück. Sein Gesicht war breit und lang, weißer als jedes Gesicht, das Otter je gesehen hatte, mit bläulichen Augen. Graue und schwarze Haare ringelten sich hier und da auf Kinn und Wangen. Sein ruhiges, offenes Lächeln entblößte kleine Zähne, von denen etliche fehlten. »Die gelernt haben, auf den Grund der Dinge zu schauen, sehen es, wie es ist: Herr aller Stoffe und Elemente. In ihm liegt die Wurzel der
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