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Das Vermächtnis von Erdsee

Das Vermächtnis von Erdsee

Titel: Das Vermächtnis von Erdsee
Autoren: Ursula K. Leguin
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ereignet sich mehrere Jahre nach dem Ende von Tehanu und schlägt eine Brücke zum nächsten Buch, The Other Wind, das in Kürze erscheinen wird. Eine Drachenbrücke.
    Um mich in den Jahren und Jahrhunderten bewegen zu können, ohne fortwährend alles durcheinander zu bringen, um Widersprüche und Abweichungen beim Schreiben dieser Geschichten so weit wie möglich zu vermeiden, bin ich (in gewisser Hinsicht) systematischer und methodischer vorgegangen und habe mein Wissen über die Menschen und ihre Geschichte in der Beschreibung der Erdsee< zusammengefasst, ähnlich wie bei der ersten großen Landkarte vom Archipel und seinen Ausläufern, die ich vor über dreißig Jahren zeichnete, als ich Der Magier der Erdsee zu schreiben begann. Ich musste wissen, wo die Orte liegen und wie man von hier nach dort kommt - sowohl räumlich als auch zeitlich. Weil diese Art von fiktiven Tatsachen - ebenso wie die Landkarten imaginärer Reiche - für einige Leser wirklich von Bedeutung sind, lasse ich die Beschreibung der Erdsee< den Erzählungen folgen.
    In all den Jahren, seit ich über die Erdsee schreibe, habe ich mich natürlich verändert, genau wie die Menschen, die diese Bücher lesen. Veränderung hat es immer gegeben, doch in unserer Zeit vollzieht sich der moralische und geistige Wandel besonders schnell und tief greifend. Archetypen werden zum alten Eisen geworfen, weitgehend anerkannte Selbstverständlichkeiten werden kompliziert, Chaos wird salonfähig, und wovon jedermann weiß, dass es wahr ist, entpuppt sich als rein persönliche Anschauung einiger weniger.
    All dies wirkt verstörend. Trotz unseres Vergnügens angesichts der Schnelllebigkeit und des hypnotischen Flackerns elektronischer Medien sehnen wir uns doch auch nach dem Beständigen. Wir lieben die alten Geschichten wegen ihrer Unveränderlichkeit. Ewig träumt Artus in Avalon. Bilbo kann gehen und wiederkehren und stets ist da das geliebte und vertraute Reich. Wieder und wieder zieht Don Quichote aus zum Kampf gegen Windmühlen... So geschieht es aus einem Streben nach Dauerhaftigkeit, verbürgter Wahrheit und unveränderlichen Selbstverständlichkeiten heraus, weshalb die Menschen sich dem Reich der Phantasie zuwenden.
    Und die Maschinerie des Kapitalismus bedient sie. Das Angebot kommt der Nachfrage entgegen. Phantasie wird zur Ware, zum Geschäft.
    Kommerzialisierte Phantasie geht kein Risiko ein: Sie erfindet nichts, sondern ahmt nach und trivialisiert. Sie nimmt den alten Geschichten ihre intellektuelle und ethische Vielschichtigkeit, wendet ihre Handlung ins Gewaltsame, macht aus ihren Gestalten Marionetten und verflacht ihren Wahrheitsgehalt zur sentimentalen
    Plattitüde. Helden schwingen ihr Schwert, ihren Laserstrahl oder Zauberstab genauso mechanisch wie Mähdrescher, die Profite ernten. Zutiefst verstörende moralische Entscheidungen werden entschärft, nett verpackt und annehmbar gemacht. Die Einfälle, um die große Erzähler leidenschaftliche Kämpfe ausgefochten haben, werden kopiert, zu harmlosen Stereotypen verflacht, in leuchtend buntes Plastik gegossen, beworben, verkauft, geknickt, verramscht, beliebig, austauschbar.
    Worauf die Vermarkter von Phantasie zählen und was sie ausnützen, ist die Vorstellungskraft der Leser, ob Kinder oder Erwachsene, die selbst diesen toten Dingen noch Leben einhauchen - oder etwas Ähnliches, zumindest für eine Weile.
    Wie alle lebendigen Dinge lebt die Vorstellungskraft im Jetzt und sie lebt mit, von und durch wirkliche Veränderung. Wie alles, was wir haben, kann sie gefördert oder verdorben werden; und doch überlebt sie die kommerzielle und didaktische Ausbeutung. Das Land überdauert Reiche. Die Eroberer mögen Wüsten zurücklassen, wo Wiesen und Wälder waren, es wird Regen fallen und die Flüsse werden zum Meer strömen. Die unbeständigen, wandelbaren, trügerischen Reiche des »Es war einmal« haben im gleichen Maß Teil an der Geschichte und am Denken der Menschen wie die Staaten in unseren bunt gesprenkelten Atlanten und einige sind dauerhafter als diese.
    Lange Zeit waren wir Bewohner beider Reiche, des gegenwärtigen und des imaginären. Doch wir bewohnen beide Reiche nicht, wie unsere Eltern oder Vorfahren das taten. Verzauberung ändert sich mit dem Alter und mit dem Zeitalter.
    Wir kennen heute ein Dutzend verschiedene Könige Artus und jeder von ihnen ist der Wahre. Das Reich hat sich unwiderruflich verändert, sogar schon zu Lebzeiten Bilbos. Don Quichote ist ausgezogen nach
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