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Das Vermächtnis des Templers

Das Vermächtnis des Templers

Titel: Das Vermächtnis des Templers
Autoren: Christoph Andreas Marx
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Benedictus: Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels, denn er hat sich seines Volkes angenommen, dass wir, erlöst aus der Hand unserer Feinde, ohne Furcht ihm dienen in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor ihm alle unsere Tage, zu leuchten denen, die in Finsternis und Todesschatten sitzen, zu leiten unsere Füße auf den Weg des Friedens.
    Johannes schaut aus dem Fenster in die unendliche Finsternis … Ein neuer Tag wird kommen. Das ist die Botschaft der Laudes. Sie führt aus der Finsternis hinaus. Der Sonnenaufgang naht. Ein neues Leben wird uns geschenkt. Ein Neuanfang, der all unsere Offenheit verdient, unsere kindliche Dankbarkeit. Es ist eine heitere Stunde, eine Zeit sich zu erheben, zu leuchten. Gott sagt: Lass dich von mir nicht trennen. Das Leben ist uns in jedem Augenblick ein Geschenk. So erheben die Mönche zur Laudes den Gesang der Dankbarkeit und der Freude. Oft hat Johannes erlebt, dass die hohen Fenster des Chores zu Beginn der Feier noch ganz im Dunkeln lagen, dann aber das erste Licht zu dämmern begann, wenn das Kyrie und das Vaterunser intoniert und der Segen erteilt wurde. Göttliches Licht wird sichtbar. Ihr seid das Licht der Welt, sagt Jesus. Und er meint: Hört zu und sehet. Dies ist eine dunkle Welt. Wenn ihr leuchtet, erhellt ihr sie. Ihr könnt diese Welt erstrahlen lassen. Es ist die Zeit, sich aufzumachen, in die Welt hinauszugehen.
    Johannes erwacht aus seinen Gedanken, erhebt sich und verlässt das Calefactorium. Er ist die Säulen des Innenhofs entlanggegangen und hat die Pforte zum Kirchenschiff erreicht, als sein Blick nach links in den Lesegang fällt. Über dem Platz des Abtes, seinem Platz, erblickt er den Adler, der einen kleinen Vogel in den Fängen hält. Oft hat Johannes über dieses Symbol nachgedacht, das so schicksalhaft für ihn gewesen ist: Der Adler trägt sein Junges zur Sonne empor und lässt es ins grelle Licht blicken. Nur jene Jungen, die den Anblick der Sonne ertragen, werden aufgezogen …

2. Kapitel
    Die ersten Tage waren die schwersten. Ohne Mutter. Ohne Vater. Ohne die bekannten Geräusche am frühen Morgen, wenn er auf dem Hof erwacht war. Immer wieder in unregelmäßigen Abständen ergriff den Jungen ein Gefühl der Trauer um das, was er verloren hatte. Dann wurde ihm das Herz so schwer, dass er niemandem Antwort gab, nicht sprechen wollte. Anfangs verzichtete er dann auch auf das Essen.
    Eine Woche nach seiner Ankunft im Kloster hatte der Junge vor dem Abt ein Versprechen ablegen müssen. Die kurze Prozedur war im Kapitelsaal in Anwesenheit aller Herrenmönche in einer fremden Sprache vollzogen worden. Erst im Anschluss daran hatte man Johannes den Inhalt seines Versprechens in groben Zügen erklärt. Er sollte von nun an dem Abt und den von ihm beauftragten Mönchen Gehorsam leisten, Verschwiegenheit bewahren, regelmäßig die Gebete einhalten und alle ihm aufgetragenen Arbeiten als einen Dienst an Gott betrachten und sorgfältig erfüllen.
    Von nun an gehörte Johannes dem Kloster. Er durfte die nun auch ihn umschließenden Mauern keinesfalls verlassen, es sei denn, man hatte einen besonderen Auftrag für ihn, aber das geschah zunächst nicht.
    Alle anderen Versprechen erwiesen sich bald als leicht erfüllbar. Johannes musste nicht an den Stundengebeten der Herrenmönche teilnehmen. Denn er war kein Mönch. Und mit zwölf Jahren durfte er auch noch nicht als Novize aufgenommen werden. So nannte man ihn einen Oblatus, einen Übergebenen, der im Kloster heranwachsen sollte, um später Mönch zu werden.
    Pflichten hatte der Junge wenige. Er half den Laienmönchen, den Konversen, bei allen anfallenden Arbeiten. Dabei erwies es sich als nützlich, dass er handwerklich geschickt war und auf dem Hof der Eltern vieles gelernt hatte, das man auch bei der Klosterarbeit gebrauchen konnte. Von der Zubereitung des Essens bis zu kleineren handwerklichen Tätigkeiten war dem Jungen nichts fremd. Und so kam es, dass er unter den Konversen schon bald sehr beliebt war. Ihnen war es aufgetragen, den Jungen zu beschäftigen. Viele Oblati erwiesen sich als ungeschickt, dumm oder faul. Doch der Neue verrichtete die ihm aufgetragenen Arbeiten ohne Murren. Dabei dachte er mit, war von schneller Auffassungsgabe und erwies sich als zuverlässiger Arbeiter, der ein fröhliches Gemüt besaß. So lernte der Junge bald viele Arbeitsbereiche kennen.
    Johannes lebte von nun an im Westtrakt des Klosters. Dort arbeitete er, dort schlief er im Dormitorium, das sich im Obergeschoss befand,
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