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Das Vermächtnis des Templers

Das Vermächtnis des Templers

Titel: Das Vermächtnis des Templers
Autoren: Christoph Andreas Marx
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neben den Konversen. Dreimal am Tag wurde die Arbeit unterbrochen. Die Laienmönche versammelten sich und verschwanden durch einen Seitengang zum Gebet in der Klosterkirche. Der Junge blieb dann allein, schaute aus einem der Fenster des Dormitoriums in den Kreuzgang, den er bisher nur einmal betreten hatte, damals auf dem Weg zum Kapitelsaal, um sein Versprechen zu geben.
    Doch auch ohne Kontakt zu den Herrenmönchen und ihrem Lebensbereich hatte Johannes den Lebensrhythmus des Klosters schnell verstanden. Der Blick aus dem Fenster in den Kreuzgang eröffnete eine besondere Welt. Im Gegensatz zu den Konversen sammelten sich die Herrenmönche mehrmals am Tag und in der Nacht zum Gebet in der Klosterkirche. Anfangs wurde Johannes nachts regelmäßig aus dem Schlaf gerissen, wenn die Glocke zum Gottesdienst rief. Dann hörte er vom gegenüberliegenden Mönchstrakt leise Geräusche, und kurze Zeit später erklangen Gesänge aus der Klosterkirche herüber. Auch tagsüber geschah dies mehrfach. Johannes erblickte die Mönche danach oft im Kreuzgang, wie sie in eine Fensternische gekauert und in eine Schrift vertieft waren. Aber oft sah er drüben auch niemanden. Von den Konversen erfuhr er, dass die Mönche tagsüber mehrfach für sich allein beteten oder in Schriften lasen und selbst schrieben.
    Im Grunde existierten innerhalb der Klostermauern zwei Klöster. Die Konversen lebten ausschließlich im Westtrakt, und auch wenn sie die Klosterkirche betraten, durften sie sich nur im Westteil bewegen und wurden durch eine große Holzwand, den Lettner, vom Ostteil der Kirche und somit von den Herrenmönchen ferngehalten. Die bewohnten den Osttrakt, durften sich auch sonst in allen anderen Bereichen bewegen, hatten aber kaum Kontakt zu den Laien. Wenn sie ihre Gottesdienste im Ostteil der Kirche, also im Chor oder in der östlichen Vierung des Mittelschiffes, abhielten, waren sie dort völlig ungestört. Ihre Aufgabe war es, für die Welt zu beten. Die Aufgabe der Konversen war es zu arbeiten. Johannes hörte davon, dass viele Menschen sich darum bemühten, als Konverse dienen zu dürfen, sei es aus Angst vor den Höllenqualen im Jenseits und auf der Suche nach Gnade, sei es, um sich für den Rest des Lebens versorgt zu wissen. Denn auch sie verpflichteten sich zu lebenslangem Gehorsam.
    Für die Konversen gab es feste Regeln und Gewohnheiten, die nur äußerst selten abgewandelt wurden. Sie sollten arbeiten, und deshalb war es ihnen auch strengstens untersagt, Bücher zu besitzen. Für den Gottesdienst brachte man ihnen das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser, das Ave Maria und das Miserere bei. Äußerlich unterschieden sie sich durch die braune Kutte und einen Bart von den Herrenmönchen. Ihre Speise war einfach. Meist gab es Hirsebrei und braunes Brot aus Dinkel. Manchmal wurde die Mahlzeit durch Gemüse bereichert, je nachdem, wie es die Jahreszeit zuließ. An besonderen Tagen kam Fisch aus den nahe gelegenen Teichen hinzu.
    Seine Arbeiten führten den Jungen auch hinaus auf das Klostergelände. Dort bewunderte er die majestätische Gestalt der Klosterkirche, ohne zu verstehen, wie es möglich war, etwas so Großes und Prächtiges bauen zu können. Bald erkannte er, dass in den Mauern des Klosterbezirks vieles vorhanden war, was man sonst nur in einer kleinen Stadt finden konnte. Da gab es große Vorratsräume, eine Mühle, eine Bäckerei und sogar eine Schmiede. Zugleich unterstanden dem Kloster viele Höfe der Umgebung, die regelmäßig Getreide anlieferten. Im Süden hatten die Mönche mehrere Teiche angelegt, in denen Karpfen gehalten wurden.
    Wann immer er konnte, besuchte Johannes den Schmied des Klosters. Der Junge fand diesen Mann sehr interessant. Betrachtete man seine Hände und seine Arme, schien er schon sehr alt zu sein. Er besaß jedoch große Körperkraft. Sein bärtiges Gesicht strahlte Ruhe und Gelassenheit aus. Mit lebendigen Augen verfolgte er aufmerksam jeden Handgriff, den er tat. Und ebenso entging es ihm auch nicht, dass Johannes all dies hellwach beobachtete. Deshalb ließ er den Jungen einfachere Arbeiten ausführen, die in der Schmiede anfielen. Johannes durfte Hufeisen reinigen und abschleifen und dafür sorgen, dass das Feuer nicht ausging, bald sogar die Eisen im Feuer vorwärmen und auf dem Amboss in Form schlagen.
    Der Winter war fast vorüber, als Johannes morgens nach dem Essen von einem der Herrenmönche angesprochen wurde. Der teilte dem Jungen mit, dass er heute von der Arbeit befreit sei.
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