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Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman

Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman

Titel: Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman
Autoren: Tamar Yellin
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enttäuscht mich nicht. Sie ist in jeder Beziehung ein ausgezeichnetes Mädchen, außer ihrem Alter, und das wird jedes Jahr ein bisschen schlimmer. Also, worauf trinken wir? Nicht auf die Gesundheit des Bräutigams, und Ihr werdet verstehen, warum, wenn Ihr diesen Weinbrand probiert. Ich habe ihn aus Kowno mitgebracht, um meine Feinde damit zu vergiften. Kleiner Scherz. Jedenfalls
bringt es ja nichts, mit etwas, das nach Gift schmeckt, auf die Gesundheit eines Mannes zu trinken. Da trinken wir lieber auf das Leben, denn am Leben kann man sich selbst im größten Unglück noch festhalten, auch wenn die Gesundheit darniederliegt. Auf das Leben, mein Junge, auf das Leben!«
    Der Ehevertrag wurde vorschriftsmäßig aufgesetzt: Die Mitgift sollte dreißig Tage vor der Hochzeit bei einem Treuhänder hinterlegt werden; der Brautvater bezahlte den Baldachin und den Empfang und stattete seine Tochter mit goldenen Ohrringen und Ringen aus sowie mit Halsketten aus türkischen Münzen; dem Bräutigam kaufte er einen neuen Strejml, Gebetsriemen und Gebetsmantel.
    Mein Urgroßvater heiratete meine Urgroßmutter, weil sie ein Huhn kochen konnte. Hätte sie nicht gewusst, wie man ein Huhn kocht, hätte er sie nicht geheiratet. Hätte Batsheva Raphaelovitch nicht gewusst, wie man ein Huhn kocht, würde ich nicht existieren, und ich wäre jetzt nicht hier, um die sagenumwobene Geschichte des Hauses Shepher niederzuschreiben.

Achtes Kapitel
     
    »Ich weiß überhaupt nicht, was du meinst.«
    Saul lungerte in meiner Nähe herum, während ich den Kühlschrank von innen schrubbte. Zwar wusste er meine hausfrauliche Tätigkeit zu schätzen, war aber verständlicherweise verblüfft. Er nahm die Becher mit Hummus und saurer Sahne in die Hand, die ich bei Supersol gekauft hatte, und beäugte sie kritisch, geradezu angewidert. Ich versuchte tatsächlich, ein Haus auf Vordermann zu bringen und gemütlich zu machen, das in ein paar Wochen nur noch ein
Haufen Schutt sein würde. Warum und wofür? Meine Motivation war ein Rätsel, auch für mich selbst.
    »Dieser Kodex«, wiederholte ich. »Davon weiß ich überhaupt nichts. Würde ich aber gerne.«
    »Hmpf!« Saul stellte die Becher ab. »Schlecht für den Magen«, sagte er. Und nach einem Moment des Nachdenkens fügte er hinzu: »Schlecht fürs Herz.«
    »Gut fürs Herz«, sagte ich entschieden. »In unserer Familie hat sowieso noch nie jemand Herzprobleme gehabt.«
    »Dein Onkel Ben Zion, der ist am Herzen gestorben. Und deine Tante Shoshanah. Sie auch. Herz.«
    »Ich dachte, das war Krebs.«
    »Nein, bei Shoshanah war es das Herz. Den Krebs hätte sie überlebt. Bei allen anderen war es Krebs. Dein Vater - Krebs. Deine Mutter.« Er zeigte mit einem verschrumpelten Finger auf mich. »Pass bloß auf dich auf. Ordentlich frisches Gemüse essen.«
    »So wie du, was, Saul?«
    »Ich? Mach dir mal um mich keine Gedanken. Ich muss nur mit dem Magen aufpassen.«
    Ich fing mit dem Schwamm ein Rinnsal braunen Wassers auf. »Na, Saul, das ist ja ein nettes Gespräch.« Ich sah ihm in die Augen. »Ich höre zum ersten Mal von einem Kodex.«
    Ein Schauder reinsten Zweifels schien durch Sauls Körper zu laufen. Wäre er nicht im Haus seines Vaters gewesen, hätte er möglicherweise ausgespuckt. »Ihr seid alle hier. Die ganze Bande. Sammelt euch wie die Geier. Ihr riecht das Geld.«
    »Was für Geld?«
    »Meinst du, so was ist nichts wert? Natürlich ist es das. So ein Dokument.«
    »Was für ein Dokument denn nun? Eine Bibel?«
    »Wahrscheinlich Tausende wert. Für all die Schnorrer.«

    »Welche Schnorrer?«
    »Geier. Räuber. Die ganze Mischpoche. Und all die anderen.« Er betrachtete mich einige Sekunden lang schweigend, dann sah er ausweichend aus dem Fenster. »Ich glaube, dein Problem ist das Herz.«
    Ich schrubbte fester. »Mit meinem Herzen ist alles in Ordnung.«
    Nichts war in Ordnung mit meinem Herzen, da hatte er schon recht. Mein Herz war vor langer Zeit getötet worden; ich spürte nichts mehr. Seit Jahren war ich ruhelos und zunehmend unzufrieden, wobei das ein Geheimnis war, das ich für mich behielt. Ich antwortete nicht, wenn ich nach meinem Leben gefragt wurde, zumindest nicht mit den aufrichtigen Antworten, die mir im Kopf herumschwirrten: dass ich ein Luftmensch war, eine umhertreibende Person, die von Luft lebte, von einem Tag zum anderen und von der Hand in den Mund; eine Matmid , eine ewige Studentin, die studierte und studierte und dabei nichts lernte, ich kannte nicht einmal
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