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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany
Autoren: Chufo Lloréns
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meine frommen Stiftungen feilscht.«
     
    Martí hatte das Schlimmste überstanden. Die Zeit, seine kräftige Konstitution und Ruths Pflege vollbrachten das Wunder. Doch er hatte seine Genesung vor allem dem unverkennbaren Gefühl zu verdanken, das ihn in seinen Bann zog: Dass er vor sich selbst, vor Ruth und allen, die ihn kannten, seine Liebe eingestehen konnte, verlieh ihm Flügel. In Gedanken
erlebte er noch einmal den magischen Augenblick in der vergangenen Nacht, als er sich ruhelos in seinem Bett wälzte, ohne Schlaf zu finden. Plötzlich öffneten sich die beiden Türflügel seines Zimmers. Ein Schatten schob die leichten Vorhänge beiseite, und das Mondlicht umfloss silbern den nackten Körper Ruths, die zum Bett trat. Martí erlag ihrem Zauber. Niemals hätte er sich erträumt, dass der sonst von tausend Gewändern verhüllte Körper des Mädchens so war, wie ihn nun seine Augen bewunderten. Die über die Schultern gleitende schwarze Haarflut, die schlanke Taille, die runden Hüften, die langen Beine und die hohen Brüste, ihre ganze Gestalt erinnerten ihn an die Linien einer schmalen Laute.
    Das Mädchen zog die Decke zurück, die Martís Körper verbarg, und legte sich zitternd neben ihn.
    »›Ich schicke euch meinen Segen, wo ich auch sein mag.‹ Erinnert Ihr Euch daran? Tatsachen sind mehr wert als Worte. Ihr, Martí, seid der Einzige, der die Ehre meines Vaters beschützt hat. Jetzt ist die Zeit gekommen, dass wir uns unseren Gefühlen hingeben. Ich will Euch in meinem Fleisch spüren, und wir zwei sollen ein Leib sein. So geht in Erfüllung, was in den Sternen geschrieben stand – seit dem ersten Tag, an dem meine Augen das Glück hatten, Euch zu sehen.«
    Dann bot ihm das Mädchen die halb geöffneten Lippen dar. Der drängende Ruf des Lebens durchzuckte Martís Körper. Er konnte sein Gefühl nicht mehr bezwingen und ergoss sich in sie.
     
    Als Martí an diesem Morgen von Llobet erfuhr, wie das Urteil lautete und unter welchen sonderbaren Umständen das Haus des Intendanten abgebrannt war, nahm ein Einfall in seinem Inneren feste Gestalt an.
    »Also hat das Unglück dem gräflichen Schatzamt schwer geschadet, wie Ihr sagt.«
    »Natürlich. Das Haus gehörte zu den Werten, die er der Stadt übergeben sollte, um die Bedingungen des Urteils zu erfüllen, und jetzt sind dort nur Trümmer übrig, ja noch schlimmer: Das Feuer hat einen ganzen Kreis von Häusern zerstört, und die Stadtkasse muss die Hausbesitzer unterstützen.«
    »Habt Ihr die Gräfin in den letzten Tagen gesehen?«
    »Sehr oft. Warum?«
    »Mir fällt etwas dazu ein.«
    »Ihr macht mir Angst.«

    »Lasst es mich zuerst mit Ruth besprechen, und morgen sage ich Euch mehr.«
     
    »Und Ihr erklärt, mein guter Eudald, dass der Bürger Barbany bereit ist, das Gelände zu kaufen, auf dem das Haus des Ratgebers stand, weil er einen Garten anlegen will, den er außerdem der Stadt schenkt, damit die Kinder dort spielen können?«, fragte die Gräfin erstaunt.
    »Das habe ich gesagt. Er hat eine einzige Bedingung gestellt.«
    »Und wie lautet die Bedingung?«
    »Der Ort soll ›Laias Garten‹ heißen, und in der Mitte soll man ein Kreuz errichten, das an sie erinnert.«
    »Das muss ich mit meinem Gemahl besprechen, aber Ihr könnt schon sicher damit rechnen.«
    »Es gibt eine weitere Bedingung. Man soll ihm die Genehmigung erteilen, alle Arten von Sträuchern, Bäumen und anderen Pflanzen, von vierfüßigen Tieren und Vögeln aus der ganzen Welt ins Stadtgebiet zu bringen, ohne dass er Steuern dafür bezahlen muss, und das Gleiche gilt für eine neue Wasserleitung. Er hat einen Fachmann, um diese Arbeit auszuführen, und seine Schiffe können alle Tiere und Pflanzen aus fernen Ländern holen.«
    »Ob Herr Barbany damit einverstanden ist, wenn man an einer Stelle daran erinnert, dass Laias Garten der Fürsprache der Gräfin Almodis zu verdanken ist?«
    »Darauf wird er stolz sein, Herrin.«

122
    Anderthalb Jahre später
     
    A lle Bewohner Barcelonas waren stolz auf Laias Garten. Selbst Martí hätte sich niemals vorgestellt, dass Omars Arbeit zu einem so schönen Erfolg führen könnte. Was einmal Bernat Montcusís Herrenhaus gewesen war, hatte man zu einer einzigartigen Stätte umgestaltet. Man hatte bereits ausgewachsene Bäume und Sträucher dorthin verpflanzt und Grasteppiche angelegt. Ein Rinnsal, so etwas wie ein kleiner Bach, durchzog den Garten von einem Ende zum anderen. Ein Eisengitter umschloss das gesamte Gelände; die
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