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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio
Autoren: Peter Dempf
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sicherlich nicht Euch.“
    Mittlerweile sah Fra Domenico in
der leichten Dämmerung der Hütte offenbar ebenso gut wie sie. Wieder kreiste
seine Degenspitze vor ihrer Brust und ließ das Amulett klirren, wenn sie es
traf.
    „Was wollt Ihr noch, Fra Domenico?
Euer Ziel ist längst erreicht. Micheles Körper fault in der Kirchengruft von
Port‘Ercole – Eure Rache sollte befriedigt sei.“
    Langsam sank der Degen zu Boden,
nur um plötzlich hochzuschnellen und mit einem für sie unerwartet präzisen
Hieb, der ihr jedoch die Haut am Hals ritzte und einen scharfen Schmerz
verursachte, das Lederband zu zertrennen, mit dem die Silberkapsel um den Hals
hing.
    „Seid Ihr wahnsinnig?“, herrschte sie
ihn an und griff nach der Wunde.
    „Versteht Ihr denn nicht? Ich wollte
Michele niemals töten. Das wäre nur eine Erlösung für ihn gewesen. Erlösen
wollte ich ihn aber nicht. Leiden sollte er, sein Leben lang leiden. Nur so
aber konnte ich ihn quälen, bis an sein Ende. Leider ist er mir zuvorgekommen.“
    Vorsichtig erhob sich Nerina, die Kapsel
jetzt in der linken Hand. Das Lederbändchen baumelte lose herab.
    „Aug um Aug, Zahn um Zahn. Ihr seid
ein erbärmlicher Mensch.“
    „Ich? Ich erbärmlich?“ Der
Johanniter rang so offensichtlich um Fassung, dass Nerina nicht mehr wusste,
was sie sagen sollte. Spielte er ihr jetzt ein schlechtes Jahrmarktstheater
vor, oder hatten Enrico und sie all die Angriffe auf Michele falsch verstanden?
    „Habt Ihr Euch das Amulett einmal
genauer betrachtet? Es aufgeschraubt und nachgesehen, was es enthält? Nie? Ich
werde es Euch sagen, Nerina, damit Ihr versteht, wer und was erbärmlich ist.“
    Sie nickte nur, weil er im Redefluss
war, wagte es aber nicht, sich zu erheben. Enrico musste kommen, bald kommen.
Hoffentlich hörte er sie. Sie versuchte laut zu sprechen, deutlich. Lange würde
sich der Johanniter nicht mehr aufhalten lassen.
    „Erzählt. Ich bin gespannt.“
    „Die Kapsel wurde gefüllt mit einem
Porträt, das heißt mit dem Gesicht eines solchen.“
    Nerina lachte unwillkürlich.
    „Bin ich deshalb ein
Reliquienschrein?“
    „Michele malte uns Brüder, weil
AntonioMicheles Schwester begehrte. Wenn ich es richtig erfahren habe,
dann beruhte die Zuneigung der beiden anfänglich durchaus auf Gegenseitigkeit.“
    Immer wenn Fra Domenico seinen
Redefluss unterbrach, wippte dessen Degenspitze vor ihrem Gesicht auf und ab.
Sie rührte sich nicht, saß starr und wie versteinert auf ihren Schenkeln. Nur
das Kind in ihrem Bauch strampelte gegen die Bauchdecke. Ihre Beine begannen
taub zu werden, auch die Arme schliefen ihr ein und kribbelten. Je gefühlloser
ihr Körper in der Hocke wurde, desto heftiger wehrte sich das Kind mit boxenden
Bewegungen. Langsam, unter Aufbietung all ihres Muts erhob sie sich, immer den
Degen vor Augen, der ihrer Bewegung folgte.
    „Er hat den Liebhaber seiner
Schwester getötet. Ja. Obwohl sie beide von der jugendlichen Liebe wussten.“
    Unruhig trat Nerina von einem Bein
auf das andere, um den Blutfluss wieder in Gang zu bringen, das Kind zu
beruhigen. Was ihr der Johanniter erzählte, kannte sie, aber sie unterbrach ihn
nicht, wollte ihn nicht reizen.
    „Warum steckte er den Porträtkopf
Eures Bruders in das silberne Amulett?“
    Fra Domenico lächelte sie kalt an.
    „So kennt Ihr den Inhalt doch. Er
liebte meinen Bruder und konnte es nicht ertragen, dass sich dieses Verhältnis
zu seiner Schwester entwickelte. Möglicherweise entdeckte er sogar, dass er
beide mochte. Erwidert hat mein Bruder Micheles Zuneigung nicht. Er erzählte
mir damals, dass ihm Michele nachgestiegen sei, dass der ihn berührt – und dass
er ihn abgewiesen habe. Das habe Michele nicht ertragen, sei wie von Sinnen
gewesen. Die einzige Rache, die ihm Wert genug erschienen war, sei seine eigene
Schwester gewesen.“
    Nicht dass Nerina besonders
überrascht gewesen wäre, dass Michele Beziehungen zu Männern unterhalten hatte.
Zu oft waren ihr die Hafenhuren schmächtig und sehr männlich erschienen.
    „Damit erzählt ihr mir nichts
Neues“, provozierte sie jetzt. Am Reden halten, neue Erklärungen finden lassen,
er muss mir seine Welt erläutern, bis Enrico kommt, mahnte sie sich.
    „Ihr verschweigt mir noch immer,
woher das Bild im Amulett stammt.“
    „Es ist das einzige Bild, das
meinen Bruder zeigt. Damals, in der Bottega seines Meisters Peterzano, malte er
uns beide. Aber er hat das fertige Bild versteckt. Es war seine Gesellenarbeit.
Als wir das Bild nach
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