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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio
Autoren: Peter Dempf
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jubilierte innerlich. Er hielt seinem Oheim die Hand hin, obwohl in
ihm kurz der beschämende Gedanke aufglühte, als wäre eben ein Stück Vieh
verhandelt worden. Dieser schlug ein. Feucht und schwammig fühlte sich dessen
Haut an, der Handrücken war aufgeschwemmt.
    „Handschlag darauf und sofort den
Schreiber gerufen!“
    „Der wird nicht benötigt!“
    „Oheim, Ihr sagtet mir zu ...“
    Umständlich kramte Papst Paul V. in
den weiten Ärmeln seines Messgewands und zog ein versiegeltes Schriftstück
hervor.
    „Es hat zu lange dort geruht. Hier,
nehmt, ruft Caravaggio zurück und stopft ihm das Maul, das handwerkliche.“
    „Der Dispens?“
    „Der Dispens!“
    Wieder wollte Scipione Borghese
aufschreien und frohlocken. Alle seine Pläne waren aufgegangen. Jetzt sollte
sogar die Krankheit Micheles noch ein gutes Ende finden. Selbst Kardinal
Gonzaga musste ihm vor diesem Erfolg Respekt erweisen. Mit beiden Händen
klatsche er in die Stille hinein, die sich um sie her verbreitete hatte. Sein
Sekretär erschien in der Tür. Ohne seinen Oheim aus den Augen zu lassen, überreichte
er diesem das versiegelte Schreiben.
    „Sofort nach Port’Ercole! Mit
Eilkurier.“
    „Es scheint, als hättet Ihr mit
Caravaggios Hilfe Euren Willen durchgesetzt, Scipione. Diese Partie ging an
Euch.“
    Etwas verstört sah Scipione
Borghese, dass sein Oheim lächelte, wo er eigentlich mit geschwollenen
Zornesadern toben sollte. Beinahe fünf Jahre hatte er sich gegen seinen,
Scipiones, Willen gesträubt – und jetzt wurde ihm willfahren. Sogar den Einfluss
Del Montes, dieses intriganten Speichelleckers, hatte er eingedämmt. Da er
zusammen mit der Hetäre seines Oheims abgebildet war, musste dieser ihn
bestrafen, was er vermutlich gerne tat. Womöglich hatte sein Oheim zu
bestimmten Zeiten selbst Erfahrungen mit den außergewöhnlichen Leidenschaften
des Kardinals gemacht. Zufrieden setzte er sich wieder in seinen Sessel und
betrachtete das Gemälde. Recht hatte sein Oheim: Schach matt!
    Vom Hof her erschollen Pferdegewieher
und das Getrappel von Hufen. Der Eilkurier entfernte sich nach Port’Ercole.
Eine weitere Woge der Zufriedenheit überkam ihn, sodass er zu schwitzen begann
und sich auf seiner Stirn Tropfen sammelten.
    Sein Oheim schien dem Hufschlag zu lauschen,
bis er sich gänzlich entfernt hatte.
    „Beinahe hätte ich etwas ...!“, murmelte
sein Oheim abwesend, und mimte den Vergesslichen. Scipione Borghese stutzte.
Gerade er wusste, dass sein Oheim ein unglaubliches Gedächtnis besaß. Diesem
Gedächtnis verdankte er unter anderem den Stuhl Petri. Von jedem seiner
Kardinäle wusste er, welche Summen ihm für die Wahl ausgehändigt worden waren
und wer nichts genommen hatte. Wer also bei einer eventuellen neuen
Entscheidung wie hoch bestochen werden musste, damit er zustimmte. Sollte sein
Oheim ... Erschrocken sah er den alten Fuchs auf dem Stuhle Petri an, wie er
zufrieden lächelte. Wer hatte hier wen wofür missbraucht?
    Auch sein Oheim klatschte in die
Hände. Sofort sprang eine der Türen auf. Der päpstliche Sekretär trat ein. Er eilte
auf Scipione zu, als wüsste er längst, was zu tun sei. Er überreichte ihm einen
weiteren Brief, versiegelt mit dem Wappen der Gonzaga. Es schien ein Brief
Enricos zu sein. Wie war sein Oheim in den Besitz dieses Schreibens gelangt?
    Rasch riss er ihn auf.
    „Eure Eminenz“, las er laut vor und
sah dazwischen immer wieder ungläubig hoch,  „Michelangelo Merisi, der an einem
Sumpffieber erkrankt war, nachdem er von Palo aus zu Fuß Port’Ercole erreicht
hatte, ist dortselbst am 18. Juli des Jahres 1610 nach Christi Geburt der Hitze
und seinen schlechten Blutsäften erlegen. Wir veranlassten die Beisetzung des Leichnams
in der Pfarrkirche von Port’Ercole. Die Kosten ...“
    Kraftlos ließ Scipione Borghese den
Arm sinken. Schlagartig war ihm bewusst geworden, dass nicht er selbst dieses
letzte Kapitel gestaltet hatte, sondern darin geführt worden war.
    „Ich hoffe, mein lieber Scipione,
Eure Suche nach weiteren Bildern Eures Schwarmes bleibt erfolgreich.“
    Mit einem süffisanten Lächeln
nickte ihm sein Oheim zu, schlug das Kreuz über ihm und verließ sein
Arbeitszimmer.
    Erst als die Tür hinter ihm
zuschlug, bewegte sich eine der Tapetentüren im Zimmer und heraus schlüpfte der
junge Kardinal Gonzaga und trat auf Scipione Borghese zu. Zögernd legte er eine
Hand auf dessen Schulter.
    „Wir sind zu spät gekommen!“
    „Der Mensch ist die Kutschfahrt
seiner
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