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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio
Autoren: Peter Dempf
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hinauf in eine Höhe, die sie nicht erreichen konnte. Seine Augen begannen
stumpf zu werden, als trübten sie sich ein.
    „Du bist ...“
    Mitten im Satz musste Michele tief
einatmen, lang und tief, und Nerina beobachtete, wie in seine Augen das letzte
Wissen trat, das nur die erlangen können, die den Tod schauen. In einen
Lufthauch löste sich das letzte Wort auf, ohne dass Nerina verstanden hätte,
was Michele ihr hatte mitteilen wollen.
    Wie versteinert saß Nerina da und
starrte Michele ins Gesicht. Alles Weiche, Warme wich daraus. Das Leben vom Tod
her zu begreifen, änderte alles.
    Sie bemerkte, wie sie sowohl seine
Hand als auch ihr Amulett krampfhaft festhielt.
14.
    „Verbrennt das Bild, und zwar
sofort.“ Papst Paul V. stand vor dem Gemälde Caravaggios mit zornrotem Kopf und
kurzem Atem. „Diese Schmiererei will ich niemals in der Öffentlichkeit sehen.“
    Schmunzelnd betrachtete Scipione
Borghese seinen Oheim. Er dachte nicht daran, zu tun, was sein Oheim vorschlug,
denn es bereitete ihm Vergnügen, ihm zu zeigen, dass er diesmal am längeren
Hebel saß. Alle hatte er sie ausgespielt, seinen Oheim, Kardinal Gonzaga und
Kardinal Del Monte, hatte ihre Schachzüge vorausgesehen, hatte schneller
reagiert und gehandelt. Eben jetzt befand sich ein Bote unterwegs nach Neapel
zu Costanza Colonna Sforza, der Marchesa di Caravaggio, die in ihrem Sommerpalast
in Cellammare wohnte. Dort befanden sich Bilder, eingepackt in Kisten, die von
Michele Merisi nicht auf die Feluke des Spaniers geladen worden waren.
Möglicherweise kehrte die Feluke mit den Bildern, die Michelangelo Merisi nicht
mehr an sich nehmen konnte, wieder dorthin zurück. Niemand außer ihm wusste
davon, niemand außer ihm würde die Gemälde je wieder zu Gesicht bekommen. Und
Pater Leonardus hatte diesmal, mit der nötigen finanziellen Unterstützung und der
Aussicht auf eine lebenslange Pfründe, für ihn gearbeitet. Dass Caravaggio sich
dabei mit einem schweren Sumpffieber infiziert hatte, bedauerte er zutiefst,
aber „Das Haupt das Johannes“ und die Aussicht auf weitere Gemälde würde ihn
dafür sicher entschädigen.
    Als er aus seinen Gedanken
auftauchte, bemerkte er, dass ihn sein Oheim unverwandt anstarrte, als wolle er
seine Gedanken lesen.
    „Oheim, Caravaggios Gemälde liest
sich wie eine Anmerkung zu seinem Leben. Es öffnet Zugänge zu einem
verschollenen Wissen, in dem sich Gedanken als Bilder verkleidet haben.“
    Die Bemerkung verfehlte ihre
Wirkung nicht. Sofort schlug Papst Paul V. mit der Faust gegen die Säule, an
die er die Staffelei gelehnt hatte.
    „Nichts Schlechtes soll über meine
Lippen kommen, aber wenn dieser Caravaggio in einem Fieber vergeht, dann sehe
ich darin die strafende Hand Gottes. Gegen alles hat er sich aufgelehnt, nichts
war ihm heilig.“
    „Oder alles!“, warf Scipione
Borghese dazwischen.
    Sein Oheim schnaubte unwillig.
    „Zuletzt diese Verhöhnung des
Stuhles Petri, die Verachtung meiner Person!“
    „Sein Wirken, Eure Heiligkeit, war
womöglich Vermessenheit. Aber liegt nicht eine tiefe Wahrheit in seinem
Vermögen, jeden Schein zu durchdringen?“
    „Seine Hoffart ist es! Ein irdischer
Gott wollte er sein. Erbärmlich.“
    Müde dieser Diskussion erhob sich
Scipione Borghese und trat an ‘Das Haupt des Johannes’ heran. Sogar die Seidentapete,
die er sich aus Venedig hatte kommen lassen, passte zum Bild. Die ockerfarbenen
Töne harmonierten mit dem flirrenden Grün des Stoffes.
    „Mutig von ihm, Mätressen in das
Bild aufzunehmen!“, knurrte sein Oheim.
    Scipione Borghese fühlte sich
seiner Sache so sicher, dass er seinen Spott nicht verheimlichte.
    „Vor allem dann, wenn es dieselbe
Frau ist, die Unsere Heiligkeit einmal die Woche besucht.“
    Wie ein Wirbel fuhr sein Oheim
herum und hätte beinahe das Bild von der Staffelei gestoßen. Es wackelte
bedenklich.
    „Natürlich nur aus Menschenliebe,
wie ich weiß, Oheim. Damit auch diese verirrten Schafe ihren Weg zu Gott
finden.“ Scipione wartete kurz, bis seine Worte gewirkt hatten. „Auch ich bin
ein Beichtiger so mancher verlorenen Seele.“
    Dabei sah Scipione Borghese seinen
Oheim an. Der schluckte einige Male, bis er die richtigen Worte fand und sie
ohne Stocken sprechen konnte. Keinerlei Erregung hörte Scipione Borghese aus
der Stimme seines Oheims, obwohl seine sich gegenseitig knetenden Finger eine
ganz andere Sprache sprachen.
    „Wer weiß außer Euch davon?“
    „Ganz Rom.“
    Diesen Spott konnte sich Scipione
Borghese
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