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Das Vermächtnis der Schwerter

Titel: Das Vermächtnis der Schwerter
Autoren: Michael Rothballer
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noch hoffen durfte.
    »Ich werde mein Schiff besteigen und damit endet diese produktive Partnerschaft zwischen uns. Jeder ist wieder auf sich allein gestellt.«
    »Du lässt mich am Leben?«, fragte Targ ungläubig.
    »Natürlich. Ich werde dir sogar einen Schlauch mit Wasser hier lassen. Wie gesagt, dich zu töten, reizt mich im Moment weit weniger, als zu sehen, wie du mit der Schmach des heutigen Tages umgehst. Legst du dich hin und stirbst, oder versuchst du wider Erwarten, zu überleben? Bist du ein Kämpfer oder ziehst du es vor, mit deinem Schicksal zu hadern? Eine spannende Frage, findest du nicht? Wann bekommt man sonst die Gelegenheit, so tiefen Einblick in den Charakter eines anderen Menschen zu erhalten.«
    »Welcher Dämon hat dich nur auf die Welt losgelassen?« Targ schüttelte fassungslos den Kopf. Dabei stellte er fest, dass er schemenhaft Megas’ Silhouette vor sich ausmachen konnte. Vielleicht war doch noch nicht alles verloren.
    »Oh, Dämonen haben damit nichts zu tun«, widersprach Megas. »Ich bin nur ein Mensch, der sich keinen Regeln unterwirft. Das befreit ungemein, glaub mir. Gesetze und Moral sind nur äußere Zwänge, die dir andere auferlegen wollen, weil sie deine freie Entfaltung fürchten. Ich würde gerne noch länger mit dir darüber plaudern, aber das Beiboot ist angekommen. Ich hoffe, wir sehen uns wieder, allerdings … die Wahrscheinlichkeit ist doch eher gering. Grüß Eringar von mir, wenn du ihn in Xelos’ Märchenhalle triffst.«
    Targ musste mit anhören, wie die Matrosen ihren Herrn willkommen hießen und ihm dann ins Boot halfen. Tatsächlich warf einer von ihnen noch einen Wasserschlauch zu Targ auf den Felsen hinüber, dann ließen sie ihn allein zurück. Er nahm einen tiefen Zug aus dem Trinkgefäß, dann sank er wieder auf den Stein nieder. Klagen oder kämpfen? Gründe, mit sich zu hadern, gab es für Targ viele, aber gab es auch einen Grund, sich gegen sein bevorstehendes Ende zu wehren? War Rache ein gutes Motiv, um weiterzuleben? Was hatte ihn der fortwährende Hass auf Megas bereits alles gekostet? Gab es sonst nichts, wofür es sich lohnte, noch einmal alle Kräfte aufzubieten?
    Plötzlich erschien vor seinem inneren Auge die Gestalt seines Bruders Deran. Sein Bruder würde es bestimmt nicht gutheißen, wenn er jetzt einfach aufgab. »Targ«, würde er sagen, »reiß dich zusammen und tu, was nötig ist.« Und Deran hatte recht. Es durfte hier noch nicht enden.

 
LICHT UND SCHATTEN
     
    D er heranpeitschende Wintersturm rüttelte mit aller Macht an den Planen des großen Zelts, das inmitten der baumlosen Istaebene den Naturgewalten schutzlos ausgesetzt war. Obwohl der Sommer noch gar nicht lange zurücklag, erschien Daia der Gedanke an Wärme und Sonnenschein unendlich fern angesichts des tobenden Sturms, der draußen Fuß um Fuß Schnee vor dem Zelteingang ablud. Aber die Nomaden vom Volk der Istanoit verstanden es, ihre Zelte so zu verzurren, dass auch der grimmigste Eisland-Atem, wie der Wind aus Nordwest genannt wurde, ihnen nichts anzuhaben vermochte.
    Daia saß auf einem Fell am Boden der runden Istanoitbehausung und bemühte sich trotz des Orkangetöses, den Geräuschen aus dem abgetrennten Bereich des Zeltes zu lauschen, um zu erfahren, wie es um ihre Freundin Tarana stand. Die Istanoit lag nun schon viele Stunden dort und die Einzige, die bei ihr sein durfte, war die knorrige Hebamme des Stammes. Niemand konnte Daia sagen, in welcher Verfassung Tarana war oder warum das alles so lange dauerte. Das Einzige, was aus dem mit Fellen abgehängten Teil des Zeltes drang, waren halb erstickte Schreie, die nun in immer kürzeren Abständen kamen.
    Daia hatte Angst. Sie war noch nie bei einer Geburt zugegen gewesen und konnte nicht einschätzen, ob alles so verlief, wie es sollte, oder ob sie wirklich Grund zur Sorge hatte.
    Ihr einziger Trost in dieser quälenden Ungewissheit stellte Thalia dar. Daia hielt schon die ganze Zeit die Hand des kleinen Mädchens umklammert. Eigentlich war Thalia in Anbetracht der Umstände erstaunlich gefasst, weder der pfeifende Sturm draußen noch Taranas Schmerzlaute drinnen schienen sie besonders zu beunruhigen.
    Plötzlich übertönte ein hoher, lang gezogener Schrei das Tosen des Windes. Unmittelbar darauf herrschte eine gespenstische Ruhe im Inneren des Zeltes und sogar der Eisland-Atem schien für einen kurzen Augenblick die Luft anzuhalten. Thalias Augen richteten sich gebannt auf Daia. Das kleine Mädchen öffnete den
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